Jetztzeit
Billig ist die Klassizität
auch jetzt noch so ziemlich in Ehren;
Unseren Firnis und Glanz
kannten die Alten noch nicht!
Übrigens, wunderbar bleibt,
wie doch die Maler, die alten,
Ohne die Photographie
brachten es wirklich so weit.
Der Architekt baut’s Haus!
Die drinnen schmücken’s aus!
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Jetztzeit“ von Carl Spitzweg ist eine humorvolle und zugleich kritische Auseinandersetzung mit den Entwicklungen in Kunst und Architektur der Gegenwart. Zu Beginn wird die „Klassizität“ als etwas betrachtet, das noch immer „in Ehren“ gehalten wird, jedoch wird diese Tradition als zunehmend „billig“ bezeichnet, was eine Entwertung dieser einst hochgeschätzten Kunstform suggeriert. Spitzweg macht damit auf die Gefahr aufmerksam, dass Traditionen und Ideale der Vergangenheit im Laufe der Zeit ihren ursprünglichen Glanz verlieren und sich zu bloßen Oberflächenphänomenen entwickeln.
Der Dichter verweist darauf, dass „unser Firnis und Glanz“ nicht von den Alten gekannt wurde, was darauf hindeutet, dass die moderne Welt eine oberflächliche Hülle oder eine „Fassade“ über tiefere Werte gelegt hat. Diese Betrachtung könnte als Kritik an der Kommerzialisierung von Kunst und Kultur verstanden werden, in der die äußeren Erscheinungen und Moden mehr Bedeutung haben als die ursprünglichen Inhalte oder Ideale. Die „alten Maler“ werden als Meister ihrer Kunst gepriesen, weil sie in einer Zeit ohne Fotografie bemerkenswerte Werke erschaffen haben, was ihre Handwerkskunst und ihre Fähigkeit zur Darstellung in einer anderen Dimension als die heutige Technik betont.
In den letzten Zeilen des Gedichts wird der Architekt als jemand dargestellt, der ein Haus baut, während die „drinnen“ die Inneneinrichtung schmücken. Diese Trennung von Funktion und Ästhetik verweist auf eine mögliche Entfremdung zwischen dem praktischen und dem künstlerischen Element in der Architektur und Kunst der Gegenwart. Der Architekt mag das Gebäude entwerfen, aber die „Schmückung“ wird anderen überlassen, was eine gewisse Entfremdung von der ursprünglichen Idee oder der tieferen Bedeutung des Bauens symbolisieren könnte.
Spitzweg verwendet in diesem Gedicht eine Mischung aus Ironie und bewundernder Nostalgie, um die Veränderung der Werte in Kunst und Architektur zu kommentieren. Während die „alten Maler“ und die Klassizität noch ein Ideal waren, das aus der Tiefe der Kunst kam, scheint die Moderne den Fokus mehr auf Äußeres und Oberflächlichkeit zu legen. Das Gedicht lädt ein, über den wahren Wert von Kunst und Kultur in der Gegenwart nachzudenken und stellt die Frage, ob diese Entwicklungen dem ursprünglichen Geist der Kunst noch gerecht werden.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.