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Der Mohnkopf

Von

Im herben Wind am Dornenzaun
Bei toten, raschelnden Ranken,
Verödet muss dies Greisenhaupt
Die trüben Tage durchwanken –

Und aschendürr und aschenfahl,
Von Gram gebeugt, hinab
Zur wüsten Erde starren:
Du meiner Hoffnung Grab!

Ach wohl, im Sommer, als flammend heiß
Im Blauen die Sonne stand,
Da war von üppigen Träumen
Mein jugendlich Haupt entbrannt.

Ich loderte glutig und dünkte mich selbst
Solch herrlicher Flammenbronnen
Und wollt im Herbste Garten und Flur
Besäen mit roten Sonnen.

Doch als er kam, der Herbst – da ward
Ich zage wie welkend Laub.
Und als ich neigte mein Haupt zur Saat,
Da war manch Körnlein taub.

Und etliches fiel auf dürr Gestein;
Der Vogel hat es gepickt.
Und etliches wird, wenn es keimt, zertreten
Oder von Dornen erstickt.

Und etliches hat der barsche Sturm
Geschleudert, weiß nicht wohin;
Auch den vermessenen Jugendtraum
Gezaust mir aus dem Sinn.

Nun steh ich hier am Dornenzaun
Bei toten, raschelnden Ranken
Und muss mit ödem Greisenhaupt
Die trüben Tage durchwanken…

O Jugend, du fliegst kühn und rasch,
So wie die Schwalbe schnellt.
Doch gleich der Schnecke träge schleicht
In Ewigkeit die Welt.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Der Mohnkopf von Bruno Wille

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht Der Mohnkopf von Bruno Wille ist eine elegische Reflexion über das Vergehen der Jugend, das Scheitern von Lebensträumen und die melancholische Erkenntnis der Endlichkeit. In eindringlichen Bildern kontrastiert das lyrische Ich seine einst glühende Hoffnung mit der heutigen Dürre und inneren Leere.

Der „Mohnkopf“ fungiert als zentrales Symbol: Der Mohn, oft Sinnbild für Schönheit, Vergänglichkeit und Traum, wird hier mit dem Haupt des gealterten lyrischen Ichs identifiziert. Schon in der ersten Strophe steht es „im herben Wind“ und „bei toten, raschelnden Ranken“ – die Natur ist herbstlich, trostlos, eine Spiegelung des inneren Zustands. Das „Greisenhaupt“ wandert durch „trübe Tage“ – eine Formulierung, die Resignation und Ausweglosigkeit betont.

Rückblickend beschreibt das lyrische Ich die jugendliche Hochstimmung: ein „flammend heißer“ Sommer, erfüllt von „üppigen Träumen“ und der Idee, die Welt mit „roten Sonnen“ – mit Glut, Leben, Vision – zu beschenken. Diese poetischen Bilder evozieren Idealismus, Schaffensdrang und Selbstüberschätzung. Doch der „Herbst“ als Lebensabschnitt bringt die Ernüchterung: die Saat geht nicht auf, viele Körner bleiben taub, andere werden zerstört oder verweht. Die Metapher der misslungenen Aussaat steht für enttäuschte Erwartungen und den Verlust einstiger Lebensentwürfe.

Das Bild des Dornenzauns ist doppeldeutig: Es ist einerseits ein Ort des Stillstands und des Rückzugs, andererseits ein Symbol für Schmerz und Abgrenzung. Das Gedicht endet mit einem starken Kontrast: Der jugendliche Schwung wird mit der Schwalbe verglichen, die rasch durch die Luft fliegt – doch die Welt selbst „schleicht“ wie eine Schnecke, schwerfällig und gleichgültig gegenüber individuellen Hoffnungen.

Der Mohnkopf ist somit ein Gedicht über Desillusionierung, Altersmelancholie und das bittere Wissen um die Kluft zwischen jugendlicher Vision und realem Lebensverlauf. Es klagt nicht laut, sondern verharrt in einem leisen, resignativen Ton – einer ruhigen, aber tiefen Wehmut über ein verpasstes oder unerfülltes Leben.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.