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Brief eines Vaters nach Paris

Von

Mai 1814.

Höre mich, du Sohn der Eichen,
Deines Landes Stolz und Hort,
Bis in Babels Mauern reichen
Soll das ernste deutsche Wort.

Freiheitsheld, ich muß dich schelten,
Dich verblendet falsches Licht,
Freundlichkeit und Großmuth gelten
Nicht im göttlichen Gericht.

Schau′, die Alte, die wir hassen,
Welcher flucht die halbe Welt,
Lauert noch in allen Gassen,
Hat auch dir das Netz gestellt.

In den Staub war sie gefallen,
Aber ihr erschlugt sie nicht,
Und aus ihren Leichenhallen
Dringet noch ein schwer Gericht.

Trunken von der Heil′gen Blute,
An den Ecken, auf dem Stein
Ladet sie im Uebermuthe
Jeden frech zur Buhlschaft ein.

Wer die Buhlschaft je getrieben,
Wer aus ihrem Becher trank,
Kann das deutsche Land nicht lieben,
Ist an Ehr′ und Tugend krank.

Honigsüß ist ihre Rede
Und gefärbt ihr Angesicht,
Aber biet′ ihr offne Fehde,
Und der Spuk betrügt dich nicht.

Sohn, die deutschen Bäume rauschen,
Und die Väter blicken her,
Und die deutschen Mädchen lauschen
Auf die neuste Heldenmär′.

Was nicht rein ist, muß nun sterben,
Ewig strahlt das höchste Gut,
Wahre du den freien Erben
Fromm und rein dein deutsches Blut.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Brief eines Vaters nach Paris von Max von Schenkendorf

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Brief eines Vaters nach Paris“ von Max von Schenkendorf ist ein Appell an seinen Sohn, der sich offenbar in Paris aufhält, und eine Warnung vor den Verlockungen der französischen Kultur. Es spiegelt die patriotische Gesinnung der Zeit nach den napoleonischen Kriegen wider, in der die Rückbesinnung auf deutsche Werte und eine Abgrenzung von französischen Einflüssen zentral waren. Der Vater, als Symbol für die deutsche Tradition und das Vaterland, versucht, seinen Sohn vor den vermeintlichen Gefahren der französischen Lebensart zu schützen und ihn zur Wahrung deutscher Tugenden zu ermahnen.

Die zentrale Metapher des Gedichts ist die „Alte“, die Frankreich symbolisiert, dargestellt als eine verführerische, aber gefährliche Frau, die mit „Honigsüßer Rede“ und einem „gefärbten Angesicht“ versucht, den Sohn zu verführen. Diese Personifizierung Frankreichs ist ein starkes Zeichen für die damaligen nationalistischen Strömungen, die das Land als Bedrohung für die deutsche Identität betrachteten. Der Vater warnt vor den „Gassen“ und dem „Netz“ der „Alten“ und mahnt seinen Sohn, „offene Fehde“ mit ihr zu führen, um sich nicht von ihren Verlockungen verführen zu lassen. Das Gedicht transportiert somit eine klare Botschaft der Distanzierung und des Misstrauens gegenüber der französischen Kultur.

Die Struktur des Gedichts ist durch einen ermahnenden und warnenden Ton gekennzeichnet. Der Vater spricht seinen Sohn direkt an und versucht, ihn durch eindringliche Bilder und Metaphern zu erreichen. Die Wiederholung von Begriffen wie „deutsches Wort“, „deutsche Bäume“ und „deutsches Blut“ verstärkt die Betonung auf deutsche Werte, Reinheit und Tradition. Die Verwendung von einfachen Reimschemata und einer klaren, wenn auch etwas pathetischen Sprache, unterstreicht die didaktische Absicht des Gedichts, dem Sohn eine klare moralische Botschaft mit auf den Weg zu geben.

Die Bedeutung des Gedichts liegt in seiner Zeitgebundenheit und seinem Ausdruck des damaligen deutschen Nationalbewusstseins. Es repräsentiert die Angst vor kultureller Vereinnahmung und den Wunsch nach einer eigenen, von äußeren Einflüssen unabhängigen Identität. Die Warnung vor den „Verlockungen“ Frankreichs kann als Ausdruck einer Sehnsucht nach traditionellen Werten, Tugend und Reinheit interpretiert werden, die als Garant für die Stärke des deutschen Volkes angesehen wurden. Die letzten Strophen, die die „deutschen Bäume“ rauschen hören lassen und die „Väter“ und „Mädchen“ ansprechen, evozieren ein Gefühl von Gemeinschaft und nationalem Stolz.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.