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Brautnacht

Von

Im Schlafgemach, entfernt vom Feste,
Sitzt Amor, dir getreu, und bebt,
Daß nicht die List mutwill′ger Gäste
Des Brautbetts Frieden untergräbt.
Es blinkt mit mystisch heil′gem Schimmer
Vor ihm der Flammen blasses Gold;
Ein Weihrauchswirbel füllt das Zimmer,
Damit ihr recht genießen sollt.

Wie schlägt dein Herz beim Schlag der Stunde,
Der deiner Gäste Lärm verjagt!
Wie glühst du nach dem schönen Munde,
Der bald verstummt und nichts versagt!
Du eilst, um alles zu vollenden,
Mit ihr in′s Heiligtum hinein;
Das Feuer in des Wächters Händen
Wird wie ein Nachtlicht still und klein.

Wie bebt vor deiner Küsse Menge
Ihr Busen und ihr voll Gesicht!
Zum Zittern wird nun ihre Strenge;
Denn deine Kühnheit wird zur Pflicht.
Schnell hilft dir Amor sie entkleiden,
Und ist nicht halb so schnell als du;
Dann hält er schalkhaft und bescheiden
Sich fest die beiden Augen zu.

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Gedicht: Brautnacht von Johann Wolfgang von Goethe

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Brautnacht“ von Johann Wolfgang von Goethe beschreibt in einer erotisch aufgeladenen Atmosphäre die Erwartung und den Vollzug der Hochzeitsnacht. Der Dichter inszeniert die Szene als einen feierlichen Übergang, in dem Amor, der Gott der Liebe, als Beschützer und Begleiter der Liebenden fungiert. Das Gedicht ist in zwei Teile gegliedert, die durch die veränderte Perspektive und die Zunahme der Intimität gekennzeichnet sind.

Im ersten Teil wird die Ankunft der Brautnacht vorbereitet. Amor, treu und voller Aufregung, wacht über dem Brautbett und soll verhindern, dass störende Einflüsse die Privatsphäre stören. Das „mystisch heil′ge[r] Schimmer“ des Kerzenlichts und der Weihrauch, der das Zimmer erfüllt, schaffen eine sakrale Atmosphäre, die die Bedeutung des Ereignisses unterstreicht. Die Erwartung des Bräutigams wird durch die Frage „Wie schlägt dein Herz beim Schlag der Stunde?“ ausgedrückt, die auf die innere Aufregung und das Sehnen des Mannes hindeutet. Die Natur des Liebesspiels wird angedeutet, wenn er nach dem schönen Mund der Braut glüht.

Der zweite Teil des Gedichts konzentriert sich auf den Höhepunkt der Nacht. Die sinnliche Beschreibung der Braut, die „beb[t]“ und deren „Strenge“ dem Verlangen des Bräutigams weicht, verdeutlicht die erotische Spannung. Amor assistiert bei der Entkleidung, hält sich jedoch beschämt die Augen zu, was die intime Natur des Geschehens hervorhebt. Die „Küsse Menge“ des Bräutigams sind eine kraftvolle Metapher für die körperliche Vereinigung, die in dem Gedicht durch die zurückhaltende Darstellung jedoch nur angedeutet wird.

Goethe verwendet eine Reihe von Stilmitteln, um die Atmosphäre zu gestalten und die Sinnlichkeit zu verstärken. Die religiöse Symbolik, die Anspielung auf das Heiligtum und die Verehrung des Gottes Amor, verleihen der Szene eine feierliche Note. Die Verwendung von Adjektiven wie „mystisch“, „heilig“ und „schön“ sowie die detaillierte Beschreibung der Emotionen der Figuren verstärken die emotionale Tiefe des Gedichts. Durch diese Kunstfertigkeit gelingt es Goethe, die Hochzeitsnacht als einen heiligen und intimen Akt darzustellen, der sowohl von Erwartung als auch von Leidenschaft geprägt ist.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.