Logo der Website, Schriftzug "Poesie Oase" mit Palmen umrandet.
, , , , , , , , ,

Seelenzauber

Von

Sie sagen, hingeschwunden sei
Die Schönheit, die dein Haupt bekränzte,
Als noch ein wolkenloser Mai
Der Jungfrau Leben heiter glänzte.
Gleichgiltig bald, bald heuchelnd spricht
Ihr achselzuckendes Bedauern:
Wie Schade, daß dieß Angesicht
„So früh versehrt von Gram und Trauern!“

Doch wo ihr Auge bloß die Spur
Vom Welken sieht und vom Verblühen,
Da sieht das meine wieder nur
Verklärung wundersam erglühen.
O nie hat deiner Schönheit Strahl
So tief so mächtig mich beweget,
Als seit der Schmerz sein heilig Maal
Auf deine reine Stirn‘ gepräget!

Ja, dich umwallt ein reicher Glanz
Ob er auch Vielen sich verhehle!
Dein Antlitz, es ist Seele ganz,
Und seinen Zauber fühlt die Seele.
Es fasset mich in deiner Näh‘
Ein schmerz- und freudenvolles Ahnen,
Und dieß geheimnißreiche Weh,
Wie Heimweh will es mich gemahnen.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Seelenzauber von Betty Paoli

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Seelenzauber“ von Betty Paoli reflektiert die tiefe, fast mystische Wirkung, die der Schmerz auf die äußere Erscheinung und die innere Schönheit eines Menschen haben kann. In der ersten Strophe wird die Veränderung der geliebten Person thematisiert: Die einst unbeschwerte Schönheit des Mädchens, das von der Welt noch unberührt war, wird nun als „versehrt“ beschrieben, da die Spuren von „Gram und Trauern“ auf ihrem Gesicht sichtbar werden. Die Gesellschaft reagiert mit oberflächlichem Bedauern, da sie nur das Verwelken und Verblühen der äußeren Schönheit sieht, ohne die tiefere Transformation zu erkennen, die damit einhergeht.

In der zweiten Strophe jedoch hebt die Sprecherin hervor, dass der wahre Wert der geliebten Person nicht in ihrem äußeren Erscheinungsbild liegt. Der „Seelenzauber“, der sich nun auf ihrem Antlitz manifestiert, ist für sie viel bedeutungsvoller als die oberflächliche Schönheit. Der Schmerz, den die geliebte Person ertragen musste, hat ihre innere Tiefe vergrößert und lässt sie noch stärker und eindrucksvoller erscheinen. Die Sprecherin stellt fest, dass nie zuvor der „Strahl“ der Schönheit so mächtig und tiefgehend war wie jetzt, da der Schmerz einen heiligen, fast mystischen Glanz auf ihr Gesicht geprägt hat. Der Schmerz verleiht der Person eine neue, tiefere Dimension und macht sie für die Sprecherin umso faszinierender.

Die dritte Strophe thematisiert die ungreifbare, fast spirituelle Wirkung dieses „Glanzes“, der die geliebte Person umhüllt. Dieser Glanz wird von vielen nicht erkannt, doch er ist für die Sprecherin ebenso spürbar wie eine „Seele“, die sich in der äußeren Erscheinung manifestiert. Der „Zauber“ der geliebten Person ist nicht nur ein ästhetisches Phänomen, sondern auch ein seelisches, das die Sprecherin mit einer Mischung aus Schmerz und Freude erfüllt. Die Wahrnehmung dieses „geheimnisreichen Weh“ erinnert sie an ein „Heimweh“, was darauf hinweist, dass der Schmerz der geliebten Person für sie gleichzeitig etwas Vertrautes und tief Empfundenes ist – eine Art Sehnsucht nach einer höheren Verbindung.

Insgesamt beschreibt das Gedicht die paradoxe Schönheit, die im Schmerz liegt. Der äußere Verfall, der von der Gesellschaft als Verlust betrachtet wird, wird von der Sprecherin als eine Art Erhebung und Verklärung erlebt. Der Schmerz verleiht der geliebten Person eine tiefere Schönheit, die nur der wahrhaft empfindsame Betrachter zu schätzen weiß. Paoli vermittelt hier eine Vision von Schönheit, die über das Oberflächliche hinausgeht und im Leid eine tiefere, transzendente Wahrheit findet.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.