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Verwunschene

Von

In den Armen der Mühle hängen die bleichen Verwunschenen
Drehen langsam den Stein des Brotes,
Unendlich geduldig.
Rings im Lande jagen die Prasser,
Aber die bleichen Verwunschenen
Mahlen unendlich geduldig das Korn.
Fängt ein Sturm ihre langen Ärmel
Sinken sie stumm in die heilige Erde.
Schicken von neuem bleiche Gesellen
Den Armen der Mühle
Geduldig, unendlich,
Verwunschen.

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Gedicht: Verwunschene von Bess Brenck-Kalischer

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Verwunschene“ von Bess Brenck-Kalischer thematisiert auf eindringliche Weise die stille, fast mythische Existenz einer Gruppe namenloser, bleicher Gestalten, die in einer Mühle unermüdlich das Korn mahlen. Die Bezeichnung „Verwunschene“ verweist auf eine Art Fluch oder Bann, dem diese Figuren unterliegen – sie sind gefangen in einer ewigen, bedeutungsschweren Arbeit, abgekoppelt vom lärmenden, genussorientierten Leben ringsum.

Die Mühle wird zum Symbol für ein zyklisches, fast schicksalhaftes Tun: Der „Stein des Brotes“ verweist auf Grundnahrungsmittel und damit auf eine existenzielle Grundlage des Lebens. Dass die Verwunschenen „unendlich geduldig“ arbeiten, hebt sie in eine entrückte, fast übermenschlich wirkende Sphäre. Sie scheinen keine Individualität mehr zu besitzen, sondern sind Teil eines größeren, unaufhaltsamen Kreislaufs.

Dem gegenüber stehen „die Prasser“, die rastlos durchs Land jagen – ein Bild für Genuss, Oberflächlichkeit und möglicherweise auch für Ausbeutung. Diese Gegensätze schaffen eine starke soziale und ethische Spannung: Während wenige im Überfluss leben, schuften die bleichen Gestalten im Verborgenen. Das Gedicht scheint damit eine stille Anklage gegen Ungerechtigkeit und das Vergessen derer zu sein, die das Fundament des gesellschaftlichen Lebens sichern.

Besonders beklemmend ist das Bild des Verschwindens in die „heilige Erde“, wenn ein Sturm ihre langen Ärmel fängt – ein plötzlicher, wortloser Tod, der jedoch keinen Einschnitt bedeutet, denn sofort treten neue „Gesellen“ an ihre Stelle. Diese Austauschbarkeit betont die Entmenschlichung und die Endlosigkeit ihres Schicksals. Die wiederholten Wörter „geduldig“, „unendlich“ und „verwunschen“ verstärken den Eindruck einer ewigen, melancholischen Gefangenschaft im Dienst des Lebens anderer.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.