Tristan
Wer die Schönheit angeschaut mit Augen,
Ist dem Tode schon anheimgegeben,
Wird für keinen Dienst auf Erden taugen,
Und doch wird er vor dem Tode beben,
Wer die Schönheit angeschaut mit Augen!
Ewig währt für ihn der Schmerz der Liebe,
Denn ein Tor nur kann auf Erden hoffen,
Zu genügen einem solchen Triebe:
Wen der Pfeil des Schönen je getroffen,
Ewig währt für ihn der Schmerz der Liebe!
Ach, er möchte wie ein Quell versiechen,
Jedem Hauch der Luft ein Gift entsaugen,
Und den Tod aus jeder Blume riechen:
Wer die Schönheit angeschaut mit Augen,
Ach, er möchte wie ein Quell versiechen!
Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Tristan“ von August von Platen beschreibt die zerstörerische Macht der Schönheit und der Liebe, die den Betrachter in einen Zustand der Qual versetzt. In der ersten Strophe wird die Augen-Bewunderung der Schönheit als ein unheilvolles Ereignis dargestellt. Wer die Schönheit „mit Augen angeschaut“ hat, ist „dem Tode schon anheimgegeben“. Dieser Tod ist metaphorisch gemeint, da der Betrachter durch die Macht der Schönheit eine Art seelisches Verhängnis erleidet. Er wird unfähig, auf der Erde irgendeinen Dienst zu leisten, da ihn die Leidenschaft für die Schönheit und die damit verbundene Sehnsucht völlig in Beschlag nehmen. Doch trotz des Wissens um dieses Schicksal wird er vor dem Tod weiterhin „beben“, als ob er sich der verführerischen Macht der Schönheit nicht entziehen kann.
In der zweiten Strophe wird die zerstörerische Wirkung dieser Liebe weiter entfaltet. Die „ewige“ Qual der Liebe wird als ein Schmerz beschrieben, der den Betrachter lebenslang verfolgt. Die Vorstellung, dass nur ein „Tor“ hoffen kann, einem solchen „Triebe“ zu genügen, verdeutlicht, wie irrational und unerreichbar diese Sehnsucht ist. Der „Pfeil des Schönen“, der den Betrachter trifft, führt zu einer nie endenden inneren Zerrissenheit. Der Schmerz der Liebe wird als unausweichlich und fortdauernd beschrieben – eine Qual, die mit der Schönheit untrennbar verbunden bleibt.
In der letzten Strophe äußert der Sprecher eine tiefe Verzweiflung und den Wunsch, sich der quälenden Liebe und Schönheit zu entziehen. Er möchte „wie ein Quell versiechen“, was das Verlangen widerspiegelt, sich völlig zurückzuziehen und jegliche emotionale Verbindung zu meiden. Der Wunsch, „jedem Hauch der Luft ein Gift“ zu entziehen und den „Tod aus jeder Blume zu riechen“, zeigt die radikale Ablehnung und den inneren Konflikt des Sprechers. Diese Bilder verdeutlichen die völlige Erschöpfung und den Schmerz, den die unerfüllte Liebe verursacht, und die Sehnsucht nach einem Ende dieser qualvollen Emotionen. Der Tod, den der Sprecher in der Schönheit findet, ist letztlich der Tod der Seele, der in der unerreichbaren Liebe gefangen ist.
Das Gedicht thematisiert somit die zerstörerische Wirkung der Leidenschaft und des Schmerzes, den die unerreichbare Schönheit auslöst. Der Sprecher wird durch die Schönheit und die Liebe in einen Zustand der Stagnation und des Leidens versetzt, in dem die Sehnsucht selbst zu einer nie endenden Qual wird.
Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.
Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.