Das Grab am Busento
Nächtlich am Busento lispeln bei Cosenza dumpfe Lieder;
Aus den Wassern schallt es Antwort, und in Wirbeln klingt es wieder!
Und den Fluß hinauf, hinunter zieh’n die Schatten tapfrer Goten,
Die den Alarich beweinen, ihres Volkes besten Toten.
Allzu früh und fern der Heimat mußten hier sie ihn begraben,
Während noch die Jugendlocken seine Schulter blond umgaben.
Und am Ufer des Busento reihten sie sich um die Wette,
Um die Strömung abzuleiten, gruben sie ein frisches Bette.
In der wogenleeren Höhlung wühlten sie empor die Erde,
Senkten tief hinein den Leichnam, mit der Rüstung auf dem Pferde.
Deckten dann mit Erde wieder ihn und seine stolze Habe,
Daß die hohen Stromgewächse wüchsen aus dem Heldengrabe.
Abgelenkt zum zweiten Male, ward der Fluß herbeigezogen:
Mächtig in ihr altes Bette schäumten die Busentowogen.
Und es sang ein Chor von Männern: „Schlaf in deinen Heldenehren!
Keines Römers schnöde Habsucht soll dir je dein Grab versehren!“
Sangen’s und die Lobgesänge tönten fort im Gotenheere;
Wälze sie, Busentowelle, wälze sie von Meer zu Meere!
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Das Grab am Busento“ von August von Platen thematisiert das Begräbnis des westgotischen Königs Alarich, dessen Tod im Jahr 410 n. Chr. während der Belagerung Roms eine bedeutende Wendung in der Geschichte darstellt. Der Ort des Begräbnisses ist der Fluss Busento bei Cosenza, und das Gedicht beschreibt eindrucksvoll die rituellen Handlungen und die Ehrung des verstorbenen Königs durch sein Volk.
In der ersten Strophe wird eine geheimnisvolle Atmosphäre geschaffen, in der „dumpfe Lieder“ und „Wirbel“ den Fluss begleiten. Diese lispelnden Lieder und das Echo aus dem Wasser lassen den Leser eine gespenstische, fast mystische Stimmung erleben, die den Tod und das Andenken an Alarich umgibt. Die „Schatten tapfrer Goten“ ziehen durch die Gegend, während sie den besten „Toten“ ihres Volkes, Alarich, betrauern. Diese Darstellung der Trauer und des Gedenkens zeigt die tiefe Verehrung des Königs durch sein Volk und die Bedeutung seines Begräbnisses.
Die zweite Strophe erzählt von der Schwierigkeit und dem Geheimnis des Begräbnisses. Alarich musste „zu früh und fern der Heimat“ beerdigt werden, was die Trauer und den Verlust noch verstärkt. Seine Jugend und die „blonden Locken“ lassen ihn als einen jungen, unvergessenen Helden erscheinen, dessen Leben zu früh endete. Die Goten, die am Busento arbeiten, um sein Grab zu errichten, nehmen die Herausforderung an, den Fluss umzuleiten, um das Grab zu schaffen. Dieser Akt des Grabens und Umleitens symbolisiert nicht nur den physischen Akt des Begräbnis, sondern auch die Entschlossenheit und den Respekt der Goten für ihren König.
In der dritten Strophe wird das Bild des Grabs weiter vervollständigt, als Alarich in die Erde gesenkt wird, zusammen mit seiner „Rüstung auf dem Pferde“, was seine kriegerische Bedeutung und seinen Ruhm als König unterstreicht. Nachdem das Grab abgeschlossen ist, wird es von den Goten mit Erde bedeckt, und es entsteht das Bild, dass „hohe Stromgewächse“ aus dem Grab wachsen werden – eine Metapher für den bleibenden Einfluss und die Bedeutung Alarichs, die weiterhin in der Geschichte nachhallen werden.
Die vierte Strophe beschreibt den zweiten Versuch des Flusses, seinen alten Verlauf zu finden, was symbolisch für die Beständigkeit der Natur und die Unvermeidlichkeit des Lebenszyklus steht. Der Gesang der Männer, die in den „Lobgesängen“ den König ehren, und der Ruf, dass „keines Römers schnöde Habsucht“ das Grab entweihen möge, verweisen auf die Ehrung Alarichs und seine unvergängliche Würde. Die Männer singen ihre Lieder des Ruhms und hoffen, dass die Wellen des Busento den Gesang „von Meer zu Meere“ tragen – ein Bild für die weitreichende Wirkung von Alarichs Vermächtnis.
Das Gedicht vermittelt eine starke Emotion von Trauer und Ehrfurcht vor einem großen Anführer und betont gleichzeitig die Bedeutung des Ortes und des Aktes der Bestattung. Platen kombiniert Naturbilder, rituelle Handlungen und eine tiefere, historische Symbolik, um die Wirkung des Königs Alarich und seines Begräbnisses für sein Volk in einem epischen Rahmen zu verdeutlichen.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.