Gesellschaftslied
Es kann ja nicht immer so bleiben
Hier unter dem wechselnden Mond;
Es blüht eine Zeit und verwelket,
Was mit uns die Erde bewohnt.
Es haben viel fröhliche Menschen
Lang vor uns gelebt und gelacht;
Den Ruhenden unter dem Rasen
Sei fröhlich dies Gläschen gebracht!
Es werden viel fröhliche Menschen
Lang nach uns des Lebens sich freun,
Uns Ruhenden unter dem Rasen
Den Becher der Fröhlichkeit weihn.
Wir sitzen so traulich beisammen
Wir haben einander so lieb,
Erheitern einander das Leben;
Ach, wenn es doch immer so blieb‘!
Doch weil es nicht immer so bleibet,
So haltet die Freunde recht fest;
Wer weiß denn, wie bald uns zerstreuet
Das Schicksal nach Ost und nach West!
Und sind wir auch fern von einander,
So bleiben die Herzen doch nah!
Und Alle, ja Alle wird’s freuen,
Wenn Einem was Gutes geschah.
Und kommen wir wieder zusammen,
Auf weise verhüllter Bahn,
So knüpfen ans fröhliche Ende
Den fröhlichen Anfang wir an!
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Gesellschaftslied“ von August von Kotzebue ist eine heitere, zugleich nachdenkliche Reflexion über die Vergänglichkeit des Lebens und den Wert der menschlichen Gemeinschaft. In einfachen, volksliedhaften Versen bringt es die Freude am gegenwärtigen Miteinander zum Ausdruck, ohne dabei die Unausweichlichkeit von Abschied, Tod und Veränderung zu verdrängen. Die zentrale Botschaft: Das Leben ist flüchtig, aber die Freundschaft überdauert.
Der erste Abschnitt des Gedichts stellt die Vergänglichkeit des irdischen Daseins unter dem „wechselnden Mond“ fest – eine poetische Umschreibung des ständigen Wandels im Leben. Blüte und Verwelken symbolisieren den Zyklus aller Dinge. Dabei zeigt sich Kotzebues Haltung: nicht Klage, sondern ein versöhnliches Annehmen der Zeitläufte. Der Übergang zu einer Art tröstendem Trinkspruch auf die „Ruhenden unter dem Rasen“ verbindet Lebensfreude mit einem Bewusstsein für das Unabwendbare.
In weiteren Strophen feiert das Gedicht die Gemeinschaft im Hier und Jetzt: das vertraute Zusammensitzen, das gegenseitige Erheitern und Lieben. Gerade weil diese Momente nicht ewig dauern, wird ihr Wert betont. Die Mahnung, Freundschaften zu pflegen und festzuhalten, bevor das „Schicksal nach Ost und nach West“ zerstreut, verleiht dem Text eine realistische und zugleich warme Note. Freundschaft wird hier nicht als bloßes Gefühl, sondern als Haltung beschrieben – etwas, das auch über räumliche Trennung hinweg Bestand hat.
Besonders versöhnlich klingt das Gedicht am Schluss aus: Selbst wenn man sich verliert, kann es ein Wiedersehen geben – „auf weise verhüllter Bahn“, also vielleicht unerwartet oder schicksalhaft. Dann wird die Gemeinschaft von einst fortgesetzt, als hätte es keine Trennung gegeben. Diese Vorstellung vermittelt Hoffnung und gibt der Vergänglichkeit einen freundlichen Rahmen.
„Gesellschaftslied“ ist somit ein eingängiges, lebensbejahendes Gedicht, das zwischen Freude und Wehmut balanciert. Es erinnert an die Zerbrechlichkeit der gemeinsamen Zeit und ruft zugleich dazu auf, das Verbindende zu pflegen – mit einem Lächeln, einem Glas in der Hand und dem Vertrauen, dass echte Nähe bleibt, auch wenn sich Umstände ändern.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.