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Verhalten

Von

Meine Augen schwingen in deinen Brüsten
Dein Haupt beugt glutrot weichen Schatten
Drauf!
Der Atem schämigt hemmend
Das Gewoge.
Mich krallt die Gier
Und herbe Dünste bluten
In seinen Ketten
Rüttelt
Der Verstand.
Fein
Knifft die Scheu die Lippen lächelnd
Kälter!
Mein Arm nur
Faßt
Im Schwung
Dich
Heißer heiß!

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Gedicht: Verhalten von August Stramm

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Verhalten“ von August Stramm beschäftigt sich mit den intensiven und ambivalenten Gefühlen zwischen Begehren und Hemmung, die in einer leidenschaftlichen, fast qualvollen Beziehung miteinander ringen. Zu Beginn beschreibt der Dichter, wie „Meine Augen schwingen in deinen Brüsten“, ein Bild, das die ungestüme Anziehungskraft und das obsessive Begehren widerspiegelt. Die Augen, die sich in den Brüsten des anderen „schwingen“, deuten auf einen körperlichen und emotionalen Fokus hin, der fast die gesamte Wahrnehmung des lyrischen Ichs beherrscht. Der „glutrot weichen Schatten“ um das Haupt des anderen erzeugt eine Atmosphäre der Verführung und des heißen Verlangens.

Der Atem, der „schämigt hemmend das Gewoge“, verstärkt den Konflikt zwischen der Lust und der Scham, die das lyrische Ich gleichzeitig zu empfinden scheint. Der Ausdruck „schämigt“ lässt vermuten, dass das Verlangen in gewisser Weise mit einem Gefühl der Unsicherheit oder des Unbehagens konfrontiert ist. Doch das „Gewoge“ – ein Bild für das wellenartige Auf- und Abbewegen der Emotionen – zeigt, dass dieses Begehren nicht kontrolliert werden kann. Diese Spannung zwischen Lust und Scham wird von der „Gier“ des lyrischen Ichs weiter verstärkt, das sich mit einer fast animalischen Kraft in den anderen hinein krallt.

Die „herben Dünste“, die „bluten in seinen Ketten“, symbolisieren das Aufeinandertreffen von Verlangen und der erdrückenden, gefangenen Natur dieses Verlangens. Es ist, als ob das lyrische Ich in einer Falle aus eigenen Gefühlen gefangen ist, während der „Verstand“ durch das „Rütteln“ versucht, diesen Drang zu kontrollieren. Doch der Gedichtverlauf zeigt, dass der Verstand nicht mehr in der Lage ist, die leidenschaftlichen, körperlichen Reaktionen zu beherrschen.

In der abschließenden Zeile, „Fein / Knifft die Scheu die Lippen lächelnd / Kälter!“, tritt eine weitere Facette des Konflikts zutage – die „Scheu“, die sich in einem spöttischen Lächeln verbirgt und gleichzeitig mit der Kälte und Zurückhaltung spielt. Diese Mischung aus Zurückhaltung und Verlangen zeigt, dass der lyrische Ich zwischen zwei Polen hin- und hergerissen ist. Die wiederholte Steigerung von „Heißer heiß“ im letzten Vers verstärkt die Intensität des Begehrens, das sich bis zu einem Punkt der Zerstörung oder der völligen Auflösung entfaltet.

Das Gedicht endet in einem Zustand der überbordenden Leidenschaft, der gleichzeitig von einem inneren Zwang und einem Gefühl der Selbstkontrolle begleitet wird, das das lyrische Ich nicht vollständig überwinden kann. Es bleibt in einem unaufhörlichen Spannungsfeld gefangen, das die Unversöhnlichkeit von Verlangen und Hemmung unterstreicht.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.