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Schlacht

Von

Ächzen ringt
Und
Stampfet in die Erde
Packen würgt
Und
Windet wühlt und stemmt
Die Lüfte stehn
Und
Klammern krampfzerrissen
Zerfetzen kracht
Und
Schellet gell zu Boden
Das Wissen stockt
Die Hoffnung bebt und starrt
Die Ahnung blutet
Schreien wächst empor
Das Leben
Flammt
Die letzten Brände
Sprühen
Wild
Krallt
Das Sterben
Auf
Zum Himmel.
Das Taglicht stickt
Die Nacht
Flort um
Das Grabtuch
Die Erde hüllt
Und
Liebe spreizt den Schoß
Die Sterne zittern
Strahlen brücket über
Die Zeit klimmt an
Und
Lächeln sammelt Tropfen
Und
Sammeln Lächeln
Lächeln Sammeln Schreiten
Und
Sammeln schreitet
Lächeln Schreiten Schwinden
Und
Schreiten schwindet
Schwinden Lächeln Schreiten
Und
Schwinden schreitet nach
Dem sturen Raum.

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Gedicht: Schlacht von August Stramm

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Schlacht“ von August Stramm entfaltet in expressiver, sprachlich aufgeladener Form eine erschütternde Vision von Krieg, Tod und transzendenter Auflösung. Es beginnt mit einer drastischen Darstellung körperlicher Gewalt, setzt sich über eine apokalyptische Steigerung fort und endet in einer fast mystisch wirkenden Bewegung hin zur Zeit und zum Raum. Stramm nutzt die Mittel des Expressionismus – Ellipsen, Neologismen, Verben als Bildträger – um die Sprachstruktur selbst in den Dienst des dargestellten Chaos zu stellen.

In der ersten Hälfte dominiert das körperliche, kriegerische Geschehen. Verben wie „ächzen“, „stampfet“, „würgt“, „windet“, „zerfetzen“ erzeugen ein Bild von wilder, zerstörerischer Bewegung. Die Sprache ist hart, stakkatoartig, geprägt von kriegerischen Lauten und eruptiven Ausrufen. Die Natur – „die Lüfte“, „die Erde“ – wird als leidender, mitkämpfender Organismus dargestellt. Alles steht im Zeichen des Ringens, das sich in Richtung Tod steigert: „Das Leben / Flammt / Die letzten Brände / Sprühen“.

Doch in der zweiten Hälfte kippt die Stimmung. Der Tod wird nicht als Ende, sondern als Übergang gedeutet. Begriffe wie „Grabtuch“, „Erde“, „Nacht“ leiten eine Phase der Verhüllung und Sammlung ein. Unerwartet tritt das Motiv der „Liebe“ auf, das sich mit einem fast sakralen Bild – „spreizt den Schoß“ – als Gegenkraft zum Krieg positioniert. Die Natur wird nicht mehr zerstört, sondern öffnet sich als Ursprung allen Seins. Auch die Sterne, einst ferne Zeugen, „zittern“ nun – die ganze Welt scheint von diesem Geschehen erfasst.

Der Schluss gleitet in eine Art Sprachmusik über, in der sich Wörter rhythmisch wiederholen und verschieben: „Lächeln sammelt Tropfen“, „Schreiten schwindet“, „Schwinden schreitet“. Es entsteht ein fast ritueller, transzendenter Sog, der das physische Schlachtfeld in eine metaphysische Dimension überführt. Der „sture Raum“ am Ende könnte als Sinnbild für das Universum gelesen werden – unbewegt, unbegreiflich, gleichgültig. Stramms „Schlacht“ ist damit mehr als ein Antikriegsgedicht: Es ist eine Sprachvision, in der Tod, Liebe, Zeit und Kosmos in ein unentwirrbares Ganzes verschmelzen.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.