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Mondblick

Von

An meine Augen spannt der Schein.
Das Schläfern glimmt in deine Kammer
Gelbt hoch hinauf
Und
Schwület mich!
Matt
Bleicht das Bett
Und
Streift die Hüllen
Stülpt frech das Hemd
Verfröstelt
Auf den Mond.
Jetzt
Leuchtest du
Du
Leuchtest leuchtest!
Glast
Blaut die Hand
In glühewehe Leere
Reißt nach den Himmel
Mond und Sterne
Stürzen
Schlagen um mich
Wirbeln
Tasten
Halt Halt Halt!
Und
Zittern aus zu Ruh
Am alten Platz!
In
Deinem Fenster droben
Gähnmüd
Blinzt
Die Nacht!

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Gedicht: Mondblick von August Stramm

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Mondblick“ von August Stramm beschreibt eine intensive, fast tranceartige nächtliche Wahrnehmungsszene, in der der Mondschein zur Quelle körperlicher und seelischer Erregung wird. In typischer expressionistischer Manier wird die Wahrnehmung des Lichts in eine emotionale, sinnliche und zugleich verstörende Erfahrung überführt, in der Subjekt und Umgebung ineinanderfließen.

Der Text beginnt mit der unmittelbaren Wirkung des Mondlichts: „An meine Augen spannt der Schein.“ Diese fast physische Darstellung der Lichtwahrnehmung zeigt, wie stark der visuelle Eindruck in den Körper des lyrischen Ichs eindringt. Der Mondschein bringt Bewegung in die Szenerie, er „schwület“ das lyrische Ich – ein Neologismus, der Hitze, Unruhe und sinnliche Spannung andeutet. Der Lichtschein entkleidet beinahe übergriffig: „Stülpt frech das Hemd“, „streift die Hüllen“. Die Darstellung ist erotisch aufgeladen, aber zugleich diffus und traumähnlich.

Im weiteren Verlauf kulminiert das Gedicht in einer Art ekstatischer Bewegung. Die Wiederholung „Du / Leuchtest leuchtest!“ steigert die emotionale Intensität. Das Licht wird zur metaphysischen Kraft, die das Subjekt aus seiner Fassung reißt: „Mond und Sterne / Stürzen / Schlagen um mich“. Die Grenzen zwischen Innen- und Außenwelt, zwischen Körper und Kosmos, lösen sich auf. Die Bilder sind fragmentarisch, eruptiv – Ausdruck eines übersteigerten, fieberhaften Erlebens.

Erst am Ende findet sich ein Moment der Ruhe: „Zittern aus zu Ruh / Am alten Platz!“ – nach dem stürmischen Ausbruch kehrt das Ich zurück in die Ordnung der Nacht. Das Bild vom „Fenster droben“, in dem „die Nacht“ „gähnmüd / blinzt“, bringt einen fast lakonischen Abschluss. Die Welt bleibt – trotz aller subjektiven Erschütterung – ungerührt bestehen. So schildert „Mondblick“ einen Moment intensiver, von Licht und Begehren durchdrungener Wahrnehmung, in dem das Subjekt sich kurzzeitig verliert, bevor es in die stille Wirklichkeit der Nacht zurücksinkt.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.