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Erfüllung

Von

Meine Sporen frechzen deine Spitzen
Bläulich kichern die Äderchen fort
In Sicherheit höhnisch
Im
Schimmrigen Weich
Bebige Hügel wiegen Verlangen
Köpfchen rosen empor und steilen Gewähr.
Die Lippe zerfrißt sich!
Golden ringeln Würger hinunter
Und schnüren den Hals zu
Nach meinen Fingern tastet dein Blut
Und siedet den Kampf.
Die Seelen ringen und kollern abseit!
Hoch schlagen die Röcke den Blick auf
Goldhellrot
Rotweichrot
Flamme zischt in das Hirn
Und sticht mir das Schaun aus!
Sinken Sinken
Schweben und Sinken
Schwingen im Sturme
Im Sturm
Im schreikrollen Meer!
Ziegelrot
Über uns segnet der Tod
Säender Tod!

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Erfüllung von August Stramm

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Erfüllung“ von August Stramm ist ein expressionistisches Sprachereignis voller Intensität, Körperlichkeit und existenzieller Aufladung. In eruptiven, assoziativen Bildern entfaltet sich ein Liebesakt, der über das Erotische hinausgeht und in eine metaphysische Dimension überführt wird. Stramm schildert nicht einfach ein körperliches Erlebnis, sondern eine Verschmelzung von Leib, Gefühl, Geist – bis hin zur Auslöschung des Subjekts.

Schon zu Beginn begegnet uns eine Mischung aus Sinnlichkeit und Aggression: „Meine Sporen frechzen deine Spitzen“ – ein Bild, das sowohl sexuelles Eindringen als auch Konfrontation ausdrückt. Der gesamte Text ist durchzogen von körpernahen Eindrücken – Haut, Äderchen, Lippen, Blut –, die nicht romantisiert, sondern in ihrer Dringlichkeit und Rohheit dargestellt werden. Dabei spielen Farbeindrücke eine große Rolle: „bläulich“, „golden“, „rotweichrot“, „ziegelrot“ – sie geben der körperlichen Erfahrung eine visuelle und emotionale Tiefe.

Die Sprache selbst wird zu einem Akt der körperlichen Erschütterung: Sie ist sprunghaft, drängend, in ständiger Bewegung. Wörter wie „Bebige Hügel“, „Würger“, „Flamme zischt“, „schreikrollen Meer“ entziehen sich einer festen Struktur und vermitteln ein Gefühl des Rauschs, der Ekstase, aber auch des Kontrollverlusts. Das Subjekt verliert sich im Strudel der Sinneseindrücke und inneren Auflösungen.

Das Gedicht kulminiert in einer kosmischen Dimension, wenn das „Schwingen im Sturme“ und das „schreikrollen Meer“ das persönliche Erleben übersteigen und in ein universales Drama überführen. Die finalen Bilder – „Ziegelrot / Über uns segnet der Tod / Säender Tod!“ – deuten auf eine Erfüllung, die im Tod gipfelt. Doch dieser Tod erscheint nicht nur als Ende, sondern auch als fruchtbarer Abschluss, als „säender“ Moment, der etwas Neues hervorbringen könnte.

„Erfüllung“ ist ein Gedicht über die Auflösung der Grenzen – zwischen Körpern, zwischen Ich und Du, zwischen Leben und Tod. In der intensiven Sprache August Stramms wird das ekstatische Erleben zur totalen Entgrenzung, in der Liebe, Schmerz, Kampf und Transzendenz ununterscheidbar verschmelzen.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.