Logo der Website, Schriftzug "Poesie Oase" mit Palmen umrandet.
, ,

Der Ritt

Von

Die Aeste greifen nach meinen Augen
Im Einglas wirbelt weiß und lila schwarz und gelb
Blutroter Dunst betastet zach die Sehnen
Kriecht schleimend hoch und krampft in die Gelenke!
Vom Wege vor mir reißt der Himmel Stücke!
Ein Kindschrei gellt!
Die Erde tobt, zerstampft in Flüche sich
Mich und mein Tier
Mein Tier und mich
Tier mich!

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Der Ritt von August Stramm

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Der Ritt“ von August Stramm vermittelt eine intensive und wirbelnde Erfahrung eines Rittes, der mit stark körperlichen und emotionalen Reaktionen verknüpft ist. Es beginnt mit dem Bild der „Äste [die] nach meinen Augen greifen“, was sofort eine bedrohliche, fast schmerzhafte Atmosphäre erzeugt. Diese Zeile lässt den Leser spüren, dass der Ritt nicht nur eine physische Herausforderung darstellt, sondern auch einen Kampf gegen die Natur oder die Umgebung, die den Reiter zu erdrücken droht. Die Verwendung von „Einglas“ in der zweiten Zeile lässt die Wahrnehmung verzerrt erscheinen, als ob der Reiter durch ein filterndes, bedrückendes Medium blickt, das die Realität verzerrt und verfremdet.

Die nächsten Zeilen, in denen Farben wie „weiß und lila schwarz und gelb“ in einem wirbelnden Wirrwarr auftauchen, verstärken diese surreale Wahrnehmung. Der „blutrote Dunst“, der „zach die Sehnen betastet“, ist ein starkes Bild für die körperliche und psychische Belastung, die der Reiter durchmacht. Die Worte „kriecht schleimend hoch und krampft in die Gelenke!“ deuten auf eine schmerzhafte, fast quälende Erfahrung hin, als ob der Körper selbst in einen krampfhaften Zustand versetzt wird, der mit der Gewalt und dem Chaos des Rittes verbunden ist.

Stramm bringt den Ritt in ein noch dramatischeres Licht, indem er die Naturgewalten und die eigene Wahrnehmung als einen unaufhörlichen Strudel darstellt. „Vom Wege vor mir reißt der Himmel Stücke!“ deutet auf die Zerbrechlichkeit und Bedrohlichkeit des Umfelds hin, das sich unaufhaltsam auf den Reiter stürzt. Der Schrei des Kindes – „Ein Kindschrei gellt!“ – verstärkt die gewaltsame und fast apokalyptische Stimmung, als ob die gesamte Welt in Aufruhr ist. Es entsteht der Eindruck, dass der Reiter inmitten einer Zerstörungskraft gefangen ist, die weder ihn noch sein „Tier“ verschont.

Der Schluss, in dem „die Erde tobt, zerstampft in Flüche sich / Mich und mein Tier / Mein Tier und mich / Tier mich!“ zeigt eine völlige Verschmelzung des Reiters mit seinem Tier und der Natur, die sie umgibt. Das Tier wird nicht nur als reines Fortbewegungsmittel dargestellt, sondern als ein Teil des chaotischen, zerstörerischen Prozesses. Stramm lässt in diesen letzten Zeilen die Identität von Mensch und Tier verschwimmen, als ob der Ritt zu einem Zustand der existenziellen Einheit mit der wilden, zerrissenen Welt führt. Es ist ein eindrucksvolles, fast visionäres Bild für die völlige Hingabe an die Gewalt und das Chaos der Natur und des Lebens.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.