Abendgang
Durch schmiege Nacht
Schweigt unser Schritt dahin
Die Hände bangen blaß um krampfes Grauen
Der Schein sticht scharf in Schatten unser Haupt
In Schatten
Uns!
Hoch flimmt der Stern
Die Pappel hängt herauf
Und
Hebt die Erde nach
Die schlafe Erde armt den nackten Himmel
Du schaust und schauerst
Deine Lippen dünsten
Der Himmel küßt
Und
Uns gebärt der Kuß!
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Abendgang“ von August Stramm beschreibt eine düstere, fast mystische Szene eines nächtlichen Spaziergangs. Die „schmiege Nacht“ und der „Schritt“ deuten auf eine langsame, bedächtige Bewegung hin, die von einer gewissen Anspannung begleitet ist. Der Ausdruck „bangen blaß um krampfes Grauen“ lässt eine tiefe Angst und Unsicherheit erahnen, die den lyrischen Sprecher und seinen Begleiter im nächtlichen Dunkel begleitet. Die Nacht scheint von einer bedrohlichen und gleichzeitig faszinierenden Aura umhüllt zu sein.
Die scharfe „Schein“ des Lichts, der in die Schatten sticht, symbolisiert den Gegensatz zwischen Erleuchtung und Dunkelheit, Klarheit und Ungewissheit. Diese Polarität wird durch die Wiederholung des Wortes „Schatten“ verstärkt, was auf die Unbestimmtheit und die Gefahr hinweist, die in der Dunkelheit lauern. Das Bild des „Hauptes“ im Schatten und des „Uns“ verweist auf eine Existenz, die im Dunkeln verborgen ist, aber gleichzeitig die Schärfe des Lichts erlebt, was zu einer inneren Zerrissenheit führt.
Die Natur wird im Gedicht lebendig: Der „hohe Stern“ und die „Pappel“, die „heraufhängt“, scheinen symbolische Figuren zu sein, die den Übergang zwischen irdischem Leben und himmlischen Sphären darstellen. Die Erde „armt den nackten Himmel“, was auf eine Vereinigung der Gegensätze und eine Verschmelzung von Himmel und Erde hinweist. Dies könnte als Metapher für das Zusammenspiel von Leben und Tod oder das Streben nach Transzendenz verstanden werden.
Das Gedicht endet mit einem überraschenden und kraftvollen Bild: „Der Himmel küsst“ und „Uns gebärt der Kuß“. Hier wird der Kuss als eine schöpferische Kraft dargestellt, die Leben und vielleicht auch Erkenntnis hervorbringt. Es ist ein Moment der Verschmelzung, der sowohl sinnlich als auch metaphysisch zu verstehen ist. Stramm drückt in diesem Gedicht die Spannung zwischen körperlicher Existenz und spirituellem Streben aus und nutzt dabei starke, prägnante Bilder, um die Atmosphäre der Nacht und ihre geheimnisvolle Kraft zu vermitteln.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.