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Hexenbewirtung

Von

Wo kommt der liebe Bote her? – Ich glaube von Schwerin,
Er stabelt durch den Eichenwald: da sieht er Hexen ziehn,
Erst eine, zweie dann, dann drei:
Dann hüpfen immer mehr herbei,
Flink, jung und wunderniedlich!
Auch duftet’s appetitlich.
Sie decken zupf! den runden Tisch
Und tragen Braten auf und Fisch
Und süßen Saft der Reben.
Heidi! das wird ein Leben!
Und alles im ganzen
Kommt an mit Tanzen.

Sie machen einen Ringeltanz, hui! und umzingeln ihn:
„Tanz mit, tanz mit, du süßes Herz, du Bote von Schwerin!“
Er denkt: hm hm, was schadet das,
Ein bisschen hüpfen auf dem Gras?
Wer lauft, der kann auch tanzen!
Paff! wirft er hin den Ranzen.
Er sucht sich aus das jüngste Blut
Und schwingt es hoch im Übermut:
Nun geigt auf Pferdeköpfen,
Und klappert mit den Töpfen,
Ihr pfiffig galanten
Tanzmusikanten!

Ich glaube, dass er sich dabei ein wenig übernahm;
Denn wie er eins herumgetanzt, so war ein Bein ihm lahm.
Allein es lässt ihm keine Ruh,
Er hinkt und humpelt immerzu,
Bis alle Hexen lachen,
Ihn pur zum Narren machen,
Jetzt fällt er, aber hält sich doch:
Er hüpft auf allen Vieren noch
Und ist dabei so heiter
Und jubelt immer weiter;
Bald aber als Müder
Lässt er sich nieder.

Komm, komm! Man führt zur Tafel ihn und setzt ihn oben an.
Sie legen ihm das Beste vor, da freut er sich, der Mann.
Er nimmt die Gabel in die Hand,
Doch ganz verkehrt. O Unverstand!
Er sticht sich, kann’s nicht meiden,
Schneidt sich beim Bratenschneiden,
Er bringt nichts in das Maul. –
Er langt zum Glas nicht faul;
Das aber heißt geschoren!
Das Glas ist angefroren:
Potz Blitz Sappermenter
Und Elementer!

Da raunt ein zierlich Hexelein, das ihm zur Seite saß:
„Dein Nachbar ist ein Hexerich, der macht sich diesen Spaß.
Gib einen Nasenstüber ihm
Und sag‘ dazu: Fi Joachim!
Dann wird etwas geschehen,
Gib Acht, du wirst was sehen!“
Er tut’s, – da kommt faustdick
Ein Donnerschlag zurück:
Ich glaub zehn Klafter fliegt er, –
Und tief im Graben liegt er!
Potz Blitzdonnerwetter
Und Leutegeschmetter!

Er rafft sich auf und ruft: „es ist doch alles Lumpenpack,
Ich traue keiner Hexe mehr mit ihrem Schabernack.
Wie freundlich sie mir zugeraunt,
Bis mich das Wetter wegpoldaunt!
Hätt‘ ich nur meinen Ranzen!“ –
Da sieht er gar ihn tanzen! –
Der Ranzen wird zum Ziegenbock! –
Da flieht er über Stock und Block
Mit Schritten – meilengroßen!
Stets will der Bock ihn stoßen:
Da kann man, vor Rennen,
Nichts mehr erkennen!

Dem Boten war viel besser es, er ging wie sonst den Gang:
Die Briefe kommen gar nicht an, das währt dem Vogt zu lang.
Ankommt er endlich ganz bestaubt
Und prustet, stöhnt und schnäuzt und schnaubt.
Der Ranzen wird gefunden
Nach vierundzwanzig Stunden:
Er hängt am Galgen hoch im Sturm;
Der Bote brummt derweil im Turm,
Gelobet, seine Pflichten
Inskünftig zu verrichten –
Und nicht mehr zu kuken
Nach Teufelsspuken.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Hexenbewirtung von August Kopisch

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Hexenbewirtung“ von August Kopisch ist ein humorvolles, satirisch-fantastisches Erzählgedicht, das die Begegnung eines ahnungslosen Boten mit einer Schar verführerischer, aber letztlich spöttischer Hexen schildert. Es kombiniert volkstümliche Märchenelemente mit parodistischen Wendungen und spielt genussvoll mit der Sprache, dem Rhythmus und der überbordenden Fantasie.

Im Zentrum steht der Bote aus Schwerin, der während seiner Reise auf eine heitere, scheinbar harmlose Hexenversammlung stößt. Die Szene ist zunächst ausgelassen und verführerisch: jung, hübsch, wohlriechend und festlich. Der Bote lässt sich bereitwillig auf das Spiel ein – tanzt mit, schwingt das jüngste Hexlein, lässt sich vom feierlichen, übernatürlichen Treiben mitreißen. Die Leichtigkeit und der Reiz dieser Welt verleiten ihn dazu, seine Aufgabe zu vergessen.

Doch rasch schlägt die Idylle um. Der Bote erleidet körperliche Folgen, verletzt sich beim Essen, wird vom Hexenspuk verspottet und schließlich durch einen Zauberschlag und eine Verwandlung seines Ranzens in einen Ziegenbock in eine wilde Verfolgungsjagd verwickelt. Die Hexen entpuppen sich nicht als freundliche Gastgeberinnen, sondern als übermütige, launische Wesen, die mit dem Boten ihren Spaß treiben. Das fantastische Geschehen steigert sich in grotesker Komik bis zur völligen Auflösung jeder Ordnung – der Ranzen tanzt, der Bock stößt, der Bote flieht.

Die Reime und der Rhythmus des Gedichts tragen zur komischen Wirkung bei: der Schwung der Verse, die Ausrufe („Potz Blitz Sappermenter!“), die Alliterationen und Lautmalereien („prustet, stöhnt und schnäuzt und schnaubt“) machen das Gedicht zu einem theatralischen, beinahe mündlich erzählten Spektakel. Dabei schwingt auch eine gewisse Volkstümlichkeit mit – die Hexenwelt als karnevaleskes Gegenbild zur bürgerlichen Ordnung.

Am Ende ist die Moral deutlich, aber augenzwinkernd: Der Bote wird bestraft für seine Neugier, seine Pflichtvergessenheit und seinen Leichtsinn. Im Turm gelandet, gelobt er Besserung – nicht aus echter Einsicht, sondern aus Furcht vor den übernatürlichen Konsequenzen. Kopischs Gedicht spielt damit auf unterhaltsame Weise mit bekannten Motiven aus Märchen, Aberglauben und der Romantik, zeigt aber zugleich, wie leicht das Fantastische ins Lächerliche, das Verführerische ins Groteske kippen kann.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.