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Lauriger Horatius, quam dixisti verum:

Von

Hoc fonte derivata clades
In patriam populumque fluxit!

Ihr müßt durch alle Schule wandern
Und schon von Kindesbeinen an,
Von einem Lehrer zu dem andern,
Zu lernen, was man lernen kann.

Ihr müsset immerfort studieren,
Das halbe liebe Leben lang,
Ihr müsset zeitig euch dressieren
In einen schulgerechten Zwang.

Ihr müsset Prüfungen bestehen,
Die selbst ein Hiob kaum bestand,
Und dann noch bitten, betteln, flehen,
Als suchet ihr’s gelobte Land.

Was ist denn euer Ziel auf Erden
Für so viel Kräfte, Geld und Zeit?
Ihr wollet nur Bedienten werden
Und bleiben bis in Ewigkeit.

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Gedicht: Lauriger Horatius, quam dixisti verum: von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Lauriger Horatius, quam dixisti verum“ von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben ist eine scharfe satirische Kritik am damaligen Bildungswesen und an der sozialen Ordnung. Der lateinische Titel („Lorbeerbekränzter Horaz, wie wahr hast du gesprochen“) sowie das Zitat „Hoc fonte derivata clades / In patriam populumque fluxit!“ („Von dieser Quelle floss das Verderben in das Vaterland und das Volk“) verweisen auf die antike Bildungstradition, die hier jedoch nicht bewundert, sondern als Ursprung gesellschaftlicher Missstände entlarvt wird.

Im Zentrum steht der Vorwurf, dass die Schul- und Bildungswege mehr der Unterwerfung und Anpassung dienen als echter Persönlichkeitsentwicklung. Kinder werden, so das lyrische Ich, von klein auf einem rigiden System unterworfen, das durch ständige Lehrerwechsel, endlose Studienjahre und disziplinierende Zwänge geprägt ist. Das Lernen wird hier nicht als Entfaltung, sondern als Dressur dargestellt – ein Begriff, der Tierdressur assoziiert und so die Entmenschlichung des Bildungsprozesses betont.

Besonders scharf ist die Kritik an den Prüfungen, die kaum zu bestehen seien und eine fast biblische Leidensfähigkeit erforderten – selbst der geplagte Hiob, Inbegriff geduldigen Leidens, wäre überfordert. Diese Prüfungen führen aber nicht zu Freiheit oder gesellschaftlichem Aufstieg, sondern lediglich dazu, dass man „bitten, betteln, flehen“ muss, um überhaupt Arbeit zu finden – ein bitteres Bild für den damaligen Berufsstart, insbesondere im Staatsdienst oder Bildungsbereich.

Im letzten Vers kulminiert die Anklage: All dieser Aufwand an Zeit, Energie und Geld hat nicht zum Ziel, selbstbestimmt oder frei zu leben, sondern lediglich, ein „Bedienter“ – ein Diener – zu werden. Und das nicht nur vorübergehend, sondern „bis in Ewigkeit“. Damit entlarvt der Text das System als eine Maschine, die angepasste, abhängige Staatsdiener hervorbringt, aber keine freien Bürger.

Insgesamt verbindet Hoffmann von Fallersleben in diesem Gedicht bissige Ironie mit pointierter Gesellschaftskritik. In einer Zeit, in der Bildung zunehmend als Schlüssel zum Fortschritt galt, wirft er einen entlarvenden Blick auf ihre reale Funktion: als Werkzeug der Disziplinierung und Einpassung in bestehende Machtverhältnisse.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.