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Abziehendes Gewitter

Von

Gegen
eine dunkele,
dumpf verrollende, schrägschwarz abziehende
Wetterwand,
aus
der mich noch
die
letzten schweren,
stürzenden Schlossen treffen,
plötzlich,
die Luft wird licht, die Lachen
flimmern,
der gärende, wählende, weißgrau brodelnde Himmel über mir
jählings, zerreißt,
sprühblitzt … die Sonne!

Jagende Wolken! Blendendes Blau!
Ins grüne Gras greift der Wind, Silberweiden sträuben sich.

Den
Kopf vorgeduckt,
die Augen fast zu, den Hut in die Stirn,
kämpfe ich mich
durch den fegend sausenden,
stürmisch brausenden, entfesselt tobenden Frühlingsaufruhr!

Mit
einem Mal,
die Brust atmet auf, mein Mantel flattert nichtg mehr,
ich blicke erstaunt um mich
alles … still.

Der ganze Spektakel, Lärm und Tumult,
kein Blättchen rührt sich, kein Hälmchen schwankt,
auch
nicht das leiseste,
sanfteste, zarteste Lüftchen mehr,
wie
weggeblasen!

Erquickende, friedliche, glasklare
Frische!
Der Himmel glänzt, eine kleine Meise singt wieder,
ich spüre wohligste
Wärme.

Auf einem jungen Erlenbaum,
regenbogenschillernd, edelsteinfunkelnd,
märchenbunt,
leuchtwiegen, blinkdrehen,
spiegelschaukeln
sich
spielschwebend, tanzhangende,
seligkeitszitternde
Tropfen!

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Gedicht: Abziehendes Gewitter von Arno Holz

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Abziehendes Gewitter“ von Arno Holz schildert eindrucksvoll den Übergang von einem Naturereignis voller Gewalt und Dramatik zu einer fast überirdisch stillen, friedlichen Nachklangsstimmung. Das lyrische Ich durchlebt hautnah den Kontrast zwischen stürmischem Chaos und anschließender, befreiender Ruhe.

Zu Beginn beschreibt das Gedicht die düstere Wucht eines herannahenden Gewitters: dunkle Wetterwände, schwere Schlossen und brodelnde Himmelsmassen erzeugen eine bedrohliche Atmosphäre. Die Sprache ist geprägt von lautmalerischen und dynamischen Ausdrücken wie „verrollend“, „stürzend“ oder „sprühblitzt“, die das Naturereignis fast physisch spürbar machen. Die extreme Bildlichkeit und rhythmische Zergliederung der Zeilen unterstreichen die Unruhe und Energie der Szene.

Der mittlere Teil des Gedichts steigert diese Bewegung bis zum Höhepunkt eines „Frühlingsaufruhrs“, der das lyrische Ich körperlich herausfordert. Die Natur erscheint hier als lebendige, übermächtige Kraft, durch die sich das Ich kämpfen muss. Doch genau in dem Moment, wo alles am heftigsten tobt, kippt die Szene unerwartet – „alles … still“. Dieser plötzliche Übergang in völlige Ruhe markiert einen Wendepunkt, der beinahe magisch wirkt.

Im letzten Abschnitt entfaltet sich eine Welt voll leuchtender Schönheit. Die Sprache wechselt ins Zarte, Sinnliche: Worte wie „regenbogenschillernd“, „märchenbunt“ und „seligkeitszitternd“ erzeugen einen beinahe märchenhaften Ton. Besonders die Darstellung der Tropfen auf dem Erlenbaum wirkt wie ein Sinnbild für die verklärte Ruhe nach dem Sturm – als hätte sich die Natur durch das Gewitter selbst gereinigt und erneuert.

Insgesamt thematisiert das Gedicht den Zyklus von Chaos und Ordnung, von Sturm und Stille. Es ist ein Lob auf die schöpferische Kraft der Natur, auf ihre Fähigkeit, sich selbst zu wandeln. Zugleich spiegelt sich in dieser Erfahrung eine seelische Läuterung wider: Das lyrische Ich erfährt durch das Durchleben des Gewitters eine tiefgreifende Befreiung und ein neues, fast kindliches Staunen über die Welt.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.