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An die Weltverbesserer

Von

Pochest du an – poch nicht zu laut,
Eh‘ du geprüft des Nachhalls Dauer!
Drückst du die Hand – drück nicht zu traut!
Eh du gefragt des Herzens Schauer!
Wirfst du den Stein – bedenke wohl,
Wie weit ihn deine Hand wird treiben!
Oft schreckt ein Echo, dumpf und hohl,
Reicht goldne Hand dir den Obol,
Oft trifft ein Wurf des Nachbars Scheiben.

Höhlen gibt es am Meeresstrand,
Gewalt’ge Stalaktitendome,
Wo bläulich zuckt der Fackeln Brand,
Und Kähne gleiten wie Phantome.
Das Ruder schläft, der Schiffer legt
Die Hand dir angstvoll auf die Lippe,
Ein Räuspern nur, ein Fuß geregt,
Und donnernd überm Haupte schlägt
Zusammen dir die Riesenklippe.

Und Hände gibt’s im Orient,
Wie Schwäne weiß, mit blauen Malen,
In denen zwiefach Feuer brennt,
Als gelt‘ es Liebesglut zu zahlen;
Ein leichter Tau hat sie genäßt,
Ein leises Zittern sie umflogen,
Sie fassen krampfhaft, drücken fest –
Hinweg, hinweg! du hast die Pest
In deine Poren eingesogen!

Auch hat ein Dämon einst gesandt
Den gift’gen Pfeil zum Himmelsbogen;
Dort rührt ihn eines Gottes Hand,
Nun starrt er in den Ätherwogen.
Und läßt der Zauber nach, dann wird
Er niederprallen mit Geschmetter,
Daß das Gebirg‘ in Scherben klirrt,
Und durch der Erde Adern irrt
Fortan das Gift der Höllengötter.

Drum poche sacht – du weißt es nicht,
Was dir mag überm Haupte schwanken.
Drum drücke sacht – der Augen Licht
Wohl siehst du, doch nicht der Gedanken.
Wirf nicht den Stein zu jener Höh‘
Wo dir gestaltlos Form und Wege,
Und schnelltest du ihn einmal je,
So fall‘ auf deine Knie und fleh‘,
Daß ihn ein Gott berühren möge.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: An die Weltverbesserer von Annette von Droste-Hülshoff

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „An die Weltverbesserer“ von Annette von Droste-Hülshoff richtet sich mahnend an jene, die die Welt mit schnellen Urteilen oder unbedachten Handlungen verändern wollen. Es thematisiert die Gefahren unüberlegten Eingreifens in komplexe Zusammenhänge und warnt vor den unvorhersehbaren Folgen solcher Eingriffe. Das lyrische Ich plädiert für Vorsicht, Demut und Bedachtsamkeit angesichts der oft verborgenen Wirkungen menschlichen Handelns.

Im ersten Teil nutzt die Autorin alltägliche Bilder – das Klopfen, das Händeschütteln, das Steinewerfen –, die durch die begleitenden Warnungen eine tiefere Bedeutung erhalten. Jeder dieser scheinbar einfachen Akte kann weitreichende Konsequenzen haben, wie etwa das versehentliche Zerschlagen der „Nachbars Scheiben“. Diese Alltagsmetaphern verdeutlichen, wie leicht es ist, Schaden anzurichten, wenn man die Wirkung der eigenen Taten unterschätzt.

Das Gedicht steigert sich dann in die Darstellung von Natur- und Schreckensbildern: Die Höhle am Meeresstrand, die bei einem leisen Geräusch einstürzt, die vergifteten Hände im Orient, der Dämonenpfeil im Himmel. Diese Szenen zeigen, dass auch verborgene oder scheinbar ruhende Gefahren durch unbedachtes Handeln aktiviert werden können. Hier werden Natur und Magie zu Symbolen für die unkontrollierbaren Kräfte, die durch menschliche Einmischung entfesselt werden könnten.

Der Schluss des Gedichts kehrt zur Anfangsmahnung zurück und unterstreicht die zentrale Botschaft: Der Mensch soll nicht vorschnell und unbedacht in die Welt eingreifen. Er kann nie vollständig wissen, was „überm Haupte schwankt“ oder welche verborgenen Mächte im Spiel sind. So appelliert das Gedicht an Bescheidenheit und das Bewusstsein für die eigene Begrenztheit – eine Warnung vor Übermut und einem blinden Glauben an die eigene Gestaltungsfähigkeit.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.