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Der Liebhaberhut

Von

In einer weltbekannten Stadt,
Die rare Kaufmannswaaren
Und wunderschöne Weiber hat,
Kam schnell ein Mann gefahren,
Eh sich’s sein Weibchen vorgestellt,
Und voller Furcht und Schrecken
Entwich ihr junger Liebesheld;
Ach aber zum Entdecken
Der Heimlichkeit gab’s viel Gefahr,
Weil er, zu sehr getrieben,
Rasch aus dem Fenster sprang, so war
Sein Hut noch da geblieben,
Lag auf dem Tischchen unverhüllt,
Viel Argwohn zu erregen,
Doch sie, mit Weiberlist erfüllt,
Springt schlau dem Mann entgegen,
Und ruft: Willkommen, süßer Mann!
Du sollst den Hut probieren,
Ein Trödelweib bot mir ihn an:
Er ist mit goldnen Schnüren
Reich eingefaßt und noch ganz neu,
Und ward aus Noth vergeudet. –
Dem Mann gefällt die Schmeichelei,
Er küßt das Weib und leidet
Daß sie an sein Tuppe den Hut
Im Puderhaare drücket,
Ruft selber aus: er laßt mir gut!
Und dankt ihr halb entzücket,
Indem sein Aug im Spiegel gafft,
Den Zierrath seines Kopfes,
Den sie ihm heimlich angeschafft. –
Sie lacht des armen Tropfes
Sehr oft auf ihres Lieblings Schooß,
Und spricht mit losem Muthe:
Mein Schatz! wir kamen wohlfeil los
Mit dem vergeßnen Hute.

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Gedicht: Der Liebhaberhut von Anna Louisa Karsch

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Der Liebhaberhut“ von Anna Louisa Karsch ist ein humorvoll erzähltes, burleskes Miniaturdrama, das mit viel Witz und Ironie von einer ehelichen Beinahekatastrophe erzählt – und von der schnellen, listigen Reaktion einer Frau, die durch geistesgegenwärtige Lüge eine heikle Situation rettet. Der Text vereint volkstümliche Erzählfreude mit pointierter Darstellung menschlicher Schwächen und ist ein Beispiel für Karschs Talent, auch Alltagsszenen literarisch lebendig zu gestalten.

Die Handlung spielt in einer „weltbekannten Stadt“ voller schöner Frauen und Handelswaren – ein Ort also, an dem Versuchungen lauern. Eine Frau empfängt dort heimlich ihren Liebhaber, doch der Ehemann kommt überraschend früh zurück. In der Eile der Flucht vergisst der junge Galan seinen Hut – ein verräterisches Detail, das leicht den Ehebruch hätte entlarven können. Die Spannung steigt, als der Hut offen im Zimmer liegt und der Verdacht nahe ist.

Doch die Frau handelt klug: Mit spielerischer Leichtigkeit und erfundener Geschichte präsentiert sie den Hut als frisch erstandene Ware eines Trödelweibs. Sie überredet ihren Mann, ihn als Geschenk zu betrachten und sogar anprobieren zu lassen. Durch Schmeichelei und scheinbare Zuneigung gelingt es ihr, sein Misstrauen zu zerstreuen. Die Ironie liegt darin, dass der Mann die Situation nicht nur akzeptiert, sondern auch noch begeistert über den vermeintlichen Kauf ist – er wird so zum ahnungslosen Mitspieler einer Komödie auf eigene Kosten.

Besonders augenfällig ist der augenzwinkernde Ton des Gedichts. Karsch nutzt die Reime und den erzählenden Rhythmus, um Tempo und Heiterkeit zu erzeugen. Der Schluss bringt schließlich die Pointe: Die Frau lacht mit ihrem Liebhaber über den gutgläubigen Ehemann und den gelungenen Trick. Der „wohlfeile“ Preis für das Abenteuer war nur der Hut – ein kleines Opfer für ein gelungenes Liebesversteckspiel.

„Der Liebhaberhut“ zeigt Anna Louisa Karsch von ihrer spöttisch-lustvollen Seite. Es ist ein Gedicht, das nicht nur eine Geschichte erzählt, sondern mit Leichtigkeit gesellschaftliche Themen wie Ehe, Treue, Täuschung und weibliche Klugheit reflektiert – und das auf eine Weise, die auch heute noch charmant und unterhaltsam wirkt.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.