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Das Harz-Moos
Gott zeigt in seiner Schöpfung-Werke,
Sich über unserm Haupt, sich auf der Erde groß;
Er gab der Sonne Glut, er gab dem Löwen Stärke,
Und bildete das kleinste Moos,
Das an dem Harzberg wächst, fein zweigigt wie Cypresse,
Voll kleiner Knospen, untersprengt
Mit etwas Röthe, so, wie junger Mädchen Blässe
Im Antlitz sich mit roth vermengt,
Wenn sie der Jüngling angeblicket;
Die Flur, der Garten und der Wald
Und selbst die Hügel sind geschmücket.
Doch andre Blumen sterben bald,
Das fein gebaute Moos bleibt, wenn sie schon gestorben,
Tief unter Schnee noch unverdorben.
Wie ähnlich ist es mir! tief lag ich unter Gram
Viel schwere Jahre lang, und als mein Winter kam,
Da stand ich unverwelkt und fieng erst an zu grünen.
Ich muste, wie das Moos, dem Glück zum weichen Tritt,
Dem Thoren zur Verachtung dienen.
Einst sterb ich! Doch mein Lied geht nicht zum Grabe mit!
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Das Harz-Moos“ von Anna Louisa Karsch stellt einen Vergleich zwischen der Schöpfungskraft Gottes und der Lebensgeschichte der Sprecherin an. Zu Beginn beschreibt die Dichterin die Vielfalt der Natur, in der Gott sowohl große, mächtige Elemente wie die Sonne und den Löwen als auch das kleinste Moos erschaffen hat. Besonders das Moos wird mit zarten, detaillierten Beschreibungen hervorgehoben, wie die „fein zweigige“ Struktur und die „kleinen Knospen“, die an die „Blässe“ eines Mädchens erinnern. Diese Metapher verweist auf die Zerbrechlichkeit und gleichzeitige Beständigkeit des Lebens.
Der Dichterin gefällt die Vorstellung, dass das Moos, obwohl es zart ist, im Gegensatz zu anderen Pflanzen, die schnell verwelken, den Winter überdauert und sogar unter Schnee unverwelkt bleibt. Diese Eigenschaft des Mooses wird als Symbol für die Widerstandsfähigkeit des menschlichen Geistes interpretiert, insbesondere in Zeiten von Leid und Enttäuschung. In den folgenden Versen zieht die Sprecherin eine Parallele zwischen dem Moos und ihrem eigenen Leben, das von „schwerem Gram“ geprägt war, aber dennoch nicht entmutigt ist.
Die Sprecherin reflektiert auf ihre Vergangenheit und stellt fest, dass sie wie das Moos erst dann „grünen“ konnte, als der „Winter“ ihrer Leidenszeit vorüber war. Sie schildert eine lange Zeit des Leidens und der Verzweiflung, in der sie jedoch nicht gebrochen wurde. Der Winter des Lebens hat ihr, wie dem Moos, nichts genommen – sie ist gewachsen und hat sich entfaltet. Dabei steht das Moos nicht nur für das Überdauern von Schwierigkeiten, sondern auch für das Schweigen und die Demut, die oft mit dem Ertragen von Entbehrungen verbunden sind.
Am Ende des Gedichts wird die Hoffnung auf Unsterblichkeit betont. Die Sprecherin ist sich ihrer eigenen Sterblichkeit bewusst, doch sie erkennt, dass ihr „Lied“ – ein Symbol für ihre kreative und innere Stärke – weiterleben wird, auch wenn sie selbst vergeht. Das Moos, das in ihrer Metapher als Symbol für Ausdauer und Beständigkeit dient, spiegelt die Vorstellung wider, dass wahre Stärke nicht in äußerlicher Pracht, sondern in der Fähigkeit liegt, Herausforderungen zu überstehen und sich inmitten von Widrigkeiten zu erneuern.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.