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Thränen des Vaterlandes

Von

Wir sind doch nunmehr ganz, ja mehr denn ganz verheeret!
Der frechen Völker Schar, die rasende Posaun
Das vom Blut fette Schwert, die donnernde Karthaun
Hat aller Schweiß, und Fleiß, und Vorrat aufgezehret.

Die Türme stehn in Glut, die Kirch‘ ist umgekehret.
Das Rathaus liegt im Graus, die Starken sind zerhaun,
Die Jungfern sind geschänd’t, und wo wir hin nur schaun
Ist Feuer, Pest, und Tod, der Herz und Geist durchfähret.

Hier durch die Schanz und Stadt rinnt allzeit frisches Blut.
Dreimal sind schon sechs Jahr, als unser Ströme Flut
Von Leichen fast verstopft, sich langsam fort gedrungen.

Doch schweig ich noch von dem, was ärger als der Tod,
Was grimmer denn die Pest, und Glut und Hungersnot,
Daß auch der Seelen Schatz so vielen abgezwungen.

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Gedicht: Thränen des Vaterlandes von Andreas Gryphius

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Thränen des Vaterlandes“ von Andreas Gryphius ist eine eindringliche Klage über die Schrecken des Dreißigjährigen Krieges. Mit drastischen Bildern schildert der Dichter die völlige Zerstörung seines Landes und die unaussprechlichen Leiden der Menschen. Das barocke Vanitas-Motiv wird hier in seiner düstersten Form dargestellt: Krieg, Pest und Tod beherrschen das Bild. Schon der erste Vers drückt die völlige Verwüstung aus: Das Vaterland ist nicht nur zerstört, sondern „mehr denn ganz verheeret“. Die Aufzählung von Kriegssymbolen – „rasende Posaun“, „fettes Schwert“, „donnernde Karthaun“ – verstärkt die Brutalität der Zerstörung. Besonders erschütternd sind die Schilderungen der brennenden Städte, der geschändeten Jungfrauen und der unaufhörlichen Ströme von Blut, die das Land durchziehen. Die letzten Verse betonen eine noch tiefere Tragödie: Nicht nur die Städte und Menschen sind vernichtet, sondern auch der „Seelen Schatz“, also der moralische und geistige Halt. Damit geht das Gedicht über eine bloße Kriegsklage hinaus – es thematisiert den Verlust von Menschlichkeit und Glauben. Gryphius stellt so die tiefgreifenden Folgen des Krieges dar: nicht nur materielle Vernichtung, sondern auch die Zerstörung des inneren, seelischen Lebens.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.