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Ebenbild unseres Lebens

Von

Der Mensch, das Spiel der Zeit, spielt, weil er allhie lebt
im Schauplatz dieser Welt; er sitzt, und doch nicht feste.
Der steigt, und jener fällt, der suchet die Paläste
und der ein schlechtes Dach; der herrscht, und jener webt.

Was gestern war, ist hin; was itzt das Glück erhebt,
wird morgen untergehn; die vorhin grüne Äste
sind nunmehr dürr und tot; wir Armen sind nur Gäste,
ob den‘ ein scharfes Schwert an zarter Seide schwebt.

Wir sind zwar gleich am Fleisch, doch nicht vom gleichem Stande:
Der trägt ein Purpurkleid, und jener gräbt im Sande,
bis nach entraubtem Schmuck der Tod uns gleiche macht.

Spielt denn dies ernste Spiel, weil es die Zeit noch leidet,
und lernt, dass wenn man vom Bankett des Lebens scheidet,
Kron, Weisheit, Stärk und Gut sei eine leere Pracht!

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Gedicht: Ebenbild unseres Lebens von Andreas Gryphius

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Ebenbild unseres Lebens“ von Andreas Gryphius ist eine barocke Reflexion über die Vergänglichkeit des menschlichen Daseins. Es beschreibt das Leben als ein Spiel auf der Bühne der Welt, in dem Menschen verschiedene Rollen einnehmen, jedoch stets dem unaufhaltsamen Wandel der Zeit unterworfen sind. Gryphius verdeutlicht damit die barocke Vanitas-Vorstellung, nach der weltliche Errungenschaften letztlich vergänglich und bedeutungslos sind. Besonders prägnant ist die Gegenüberstellung von sozialen Gegensätzen: Einige Menschen streben nach Macht und Reichtum, während andere in Armut leben oder harte Arbeit verrichten. Doch unabhängig von ihrem Stand sind alle dem gleichen Schicksal ausgeliefert. Die Metapher vom „scharfen Schwert an zarter Seide“ verweist auf die ständige Bedrohung des Todes, der das menschliche Leben jederzeit beenden kann. In der letzten Strophe fasst Gryphius die zentrale Botschaft des Gedichts zusammen: Der Tod macht alle Menschen gleich und entwertet weltlichen Besitz ebenso wie Ruhm oder Weisheit. Die Aufforderung, das „ernste Spiel“ des Lebens bewusst zu spielen, erinnert an die barocke Haltung des „Memento mori“ – die Mahnung, stets an die eigene Vergänglichkeit zu denken. Somit zeichnet das Gedicht ein eindringliches Bild der Hinfälligkeit menschlicher Existenz und fordert zur Besinnung auf das Wesentliche auf.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.