Ein Wolkenbruch und ganzer Städte Brand
Wird dir zuerst, und uns durch dich, bekannt!
Du weißt zuerst, wo Mißwachs, Theurung, Noth
Und Krieg und Pest den sichern Ländern droht:
Du weißt zuerst, wo jetzt die Erde bebt,
Ein Berg schon flammt, und Gegenden begräbt:
Du weißt zuerst, und lehrest überall
Der Handlung Last, und ihrer Säulen Fall:
Du weißt zuerst, was Große hingerafft.
Freund, wann erhenkst du dich mit deiner Wissenschaft?
An Murtzuphlus
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „An Murtzuphlus“ von Friedrich von Hagedorn ist eine satirische Abrechnung mit einer Person, die scheinbar übermäßiges Wissen über Katastrophen besitzt. Der Name „Murtzuphlus“ ist vermutlich fiktiv und dient als Platzhalter für jemanden, der ständig über Unglück und Leid berichtet. Das Gedicht nutzt eine ironische Form, um die Obsession dieser Figur mit negativen Ereignissen anzuprangern.
Die ersten acht Verse des Gedichts sind als eine Art Lobpreisung formuliert, doch die Übertreibung der Aufzählungen entlarvt schnell die wahre Intention. Murtzuphlus ist derjenige, der als Erster von Naturkatastrophen wie Wolkenbrüchen, Stadtbränden, Missernten, Kriegen, Pestepidemien und Erdbeben erfährt und diese verkündet. Er wird als eine Art Prophet des Untergangs dargestellt, der sein Wissen nutzt, um die Welt mit schlechten Nachrichten zu überschütten. Die Aufzählung dient dazu, die Fülle des negativen Wissens hervorzuheben, das Murtzuphlus angehäuft hat.
Der Clou des Gedichts liegt im letzten Vers, der eine direkte Frage an Murtzuphlus richtet: „Freund, wann erhenkst du dich mit deiner Wissenschaft?“. Diese Frage offenbart die eigentliche Kritik: Das Wissen, das Murtzuphlus besitzt, scheint ihn nicht zu bereichern oder zu erheben, sondern ihn in eine Abgründigkeit des Pessimismus zu ziehen. Der Autor suggeriert, dass die Konzentration auf das Schlechte und die ständige Beschäftigung mit negativen Nachrichten das Leben zu einer Last machen. Die drastische Formulierung „erhängen“ ist hier als eine extreme Reaktion auf die Überfülle an schlechten Nachrichten zu verstehen und unterstreicht die Ironie und den Sarkasmus des Gedichts.
Hagedorn kritisiert in diesem Gedicht die Tendenz, sich in düsteren Prognosen und negativen Nachrichten zu verlieren. Es ist eine Mahnung vor der übermäßigen Konzentration auf das Negative und deren möglicherweise lähmenden Auswirkungen. Der Humor des Gedichts beruht auf der Diskrepanz zwischen der scheinbar lobenden Einleitung und der bitteren, sarkastischen Pointe. Es ist ein Appell, die Welt differenzierter zu betrachten und die eigene Wahrnehmung nicht von der ständigen Konfrontation mit dem Schlimmsten bestimmen zu lassen.
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