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An Jacob Böhme′s Grabe

Von

Im Mai 1813.

Ich komm′ aus weiter Ferne
Ein müder Wandersmann,
Mir zeigten lichte Sterne
Zu dir die liebe Bahn.

Als Knabe schon vernommen
Hab′ ich ein Wort von dir,
Nun bin ich selbst gekommen,
Und bin so selig hier.

Dort hat die Welt ihr Wesen,
Hier weht so milde Luft,
Es müssen wol genesen
Die Krieger an der Gruft.

Sie nahn voll Blut und Schmerzen
Und finden hier das Heil,
Der Todespfeil im Herzen
Wird schnell zum Liebespfeil.

Und seit ich hier gesessen,
Was ist in mir geschehn,
Wie viel hab′ ich vergessen,
Wie viel hab′ ich gesehn!

Ich war so weit gegangen,
Ich war so reich und arm,
Die Brust war von Verlangen,
Von Haß und Liebe warm.

In Quellen wollt′ ich tauchen
Mein glänzend Angesicht,
Da kam zu mir dein Hauchen,
Da winkte mir dein Licht.

Des ew′gen Ursprungs Spuren,
Die Form aus erster Hand,
Der Dinge Signaturen –
Sind sie so schnell erkannt?

Wer möchte nicht erwerben
So hohen Meisterthron?
Wer nicht aus Liebe sterben,
Wenn das des Todes Lohn?

Doch läßt sich das nicht kaufen,
Sophia wird geschenkt;
Ich will Aurora taufen,
Was hier in mich gesenkt.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: An Jacob Böhme′s Grabe von Max von Schenkendorf

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „An Jacob Böhme’s Grabe“ von Max von Schenkendorf, geschrieben im Mai 1813, ist eine tiefgründige Reflexion über die Suche nach Erleuchtung, Frieden und der Transformation durch die Auseinandersetzung mit dem Geist von Jacob Böhme, einem mystischen Philosophen. Der Erzähler, ein „müder Wandersmann,“ begibt sich aus weiter Ferne an das Grab Böhmes, geleitet von „lichte[n] Sterne[n],“ was die Suche nach spiritueller Führung und Erkenntnis symbolisiert. Die Reise ist nicht nur eine physische, sondern vor allem eine innere, die ihn zu einem Ort der Ruhe und Heilung führt.

Die erste Strophe etabliert die Sehnsucht des Wanderers nach einer spirituellen Heimat. Die anschließenden Strophen beschreiben die transformative Kraft, die von der Begegnung mit dem Grab des Philosophen ausgeht. Der Ort wird zu einem Zufluchtsort, in dem selbst Krieger, die von Blut und Schmerz gezeichnet sind, „Heil“ finden und der „Todespfeil im Herzen“ sich in einen „Liebespfeil“ verwandelt. Dies deutet auf eine Umwandlung von Leid in Liebe und eine Überwindung der irdischen Kämpfe durch spirituelles Verständnis hin. Die Zeilen lassen eine tiefe Verehrung des Autors für Jacob Böhme erkennen, da der Erzähler sich nun „selig“ fühlt.

Das Gedicht erreicht seinen Höhepunkt in den Strophen, die die innere Transformation des Wanderers beschreiben. Er hat viel vergessen, viel gesehen und ist durch verschiedene Lebensphasen gegangen, von Reichtum und Armut bis hin zu Liebe und Hass. Das „Hauchen“ und „Licht“ Böhmes, die ihn erreichen, symbolisieren die spirituelle Erleuchtung, die er durch die Auseinandersetzung mit Böhmes Lehren erfährt. Die Frage nach der schnellen Erkennung der „Spuren des ew’gen Ursprungs“ und der „Dinge Signaturen“ zeigt das Streben nach einem tieferen Verständnis der Welt und ihrer Geheimnisse.

Die abschließenden Strophen drücken das Verlangen nach spiritueller Erleuchtung und dem Loslassen weltlicher Bindungen aus. Die Erkenntnis, dass Sophia, die Weisheit, nicht gekauft, sondern geschenkt wird, verdeutlicht die Unentgeltlichkeit der spirituellen Erfahrung. Der Erzähler entscheidet sich dafür, „Aurora zu taufen,“ was hier die spirituelle Erleuchtung und Transformation darstellt, die ihm zuteil wurde. Das Gedicht endet mit einem Gefühl der Dankbarkeit und des neuen Lebens, das durch die Begegnung mit dem Geist von Jacob Böhme und seinen Lehren ermöglicht wurde. Es ist eine Ode an die Suche nach Wissen, die Überwindung von Leid und die transformative Kraft der Spiritualität.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.