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An Heinrich Jung, genannt Stilling, zu dessen sieben und siebzigsten Geburtstage

Von

den 12. September 1816.

Der Herbst hat seinen Thron genommen
Die liebe Blumenzeit verschwand,
Auch du bist wieder heimgekommen
Von Badens mildem Quellenrand.
So kehret jedes von der Reise
Und zieht in seine Heimat ein,
Und richtet sich auf seine Weise
Zum langen Winter traulich ein.

Nur ich muß wieder dich ergreifen,
Du vielgebrauchter Wanderstab,
Und muß mit meiner Liebe schweifen
In fernes Land, den Rhein hinab.
Wolan, die grünen Wellen bringen
Mir stündlich holde Grüße zu.
Und Wellenschlag und Lieder singen
Mein Herz in die gewünschte Ruh.

Und wie dem Wandersmann im Dunkeln,
In einer langen Winternacht,
Die Sterne Gottes tröstlich funkeln
In ihrer ew′gen Liebespracht,
Gibt Fest mir noch den Segen,
Zu guter Letzt zum Abschied mit,
Und leuchtet mir auf meinen Wegen,
Bei manchem schwanken Steg und Schritt.

Fahr′ wohl, o Haus der alten Treue,
Fahr′ wohl, du gastlich offnes Thor,
Ihr Lieben, täglich schaut aufs Neue,
Zu euern Bergen schaut empor!
Die Berge hab′ ich oft durchzogen,
Wenn ich zu spät am Abend kam,
Dort ist so mancher Schmerz entflogen,
Geheilt so mancher bittre Gram.

Ich kann es nimmermehr vergessen,
Wie alles hier so freundlich war,
Wie ich an diesem Tisch gesessen
So manchen Tag und manches Jahr,
Wie Vater Augen glänzten
Im fröhlich christlichen Gespräch,
Und wie die Töchter uns kredenzten,
Als ob das Brod ein Andrer bräch′. –

O du, von reinen Himmelsblüten,
Von ew′gen Kränzen schön umlaubt,
Dem sechs und siebzig Sonnen glühten,
Du theures, vielgeprüftes Haupt,
Du darfst noch lange dich nicht neigen,
Den Aehren gleich von Segen schwer,
Mußt vielen noch die Wege zeigen
Zum Throne Gottes stark und hehr.

O schau′ die jüngste Stillingsblume,
Die deiner Tochter Kind gebar,
Schau′ drüben in dem Heiligthume
Die Führerin der blüh′nden Schaar,
Sieh neben dir die Gattin weilen,
Die dich umschlang dem Epheu gleich;
So magst du deine Blicke theilen
Mit jenem und mit diesem Reich.

Fahr′ wohl! zwar fernhin muß ich ziehen,
Doch bleibt mein Gastrecht unversehrt,
Noch lange soll die Flamme glühen
Auf diesem Patriarchenherd;
Die Engel kamen zu den Alten,
Zum Abraham, zum frommen Lot;
Mir ist, als fühlt′ ich hier sie walten,
Fahr′ wohl – und Alle grüß′ euch Gott!

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: An Heinrich Jung, genannt Stilling, zu dessen sieben und siebzigsten Geburtstage von Max von Schenkendorf

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „An Heinrich Jung, genannt Stilling, zu dessen sieben und siebzigsten Geburtstage“ von Max von Schenkendorf ist eine Hommage an den Geburtstag von Heinrich Jung, genannt Stilling, und reflektiert eine tiefe Freundschaft sowie die Wertschätzung für Stillings Lebenswerk und Charakter. Es ist ein lyrisches Gedicht, das in sieben Strophen unterteilt ist, wobei jede Strophe eine spezifische Facette der Beziehung zwischen dem Dichter und Stilling, sowie dessen Umfeld, beleuchtet.

Die ersten beiden Strophen etablieren einen Rahmen, indem sie die Jahreszeit (Herbst) und die Rückkehr von Stilling aus einem Kurort beschreiben. Dies wird genutzt, um die unvermeidliche Reise des Dichters in die Ferne zu kontrastieren, insbesondere entlang des Rheins. Der Autor drückt seine Liebe und Dankbarkeit aus, während er gleichzeitig die bevorstehende Trennung beklagt. Diese anfängliche Melancholie wird durch die Bilder der Natur, wie die grünen Wellen des Rheins und die Sterne in der Nacht, gemildert, die ihm Trost und Ruhe schenken.

Die folgenden Strophen wenden sich einer tieferen Reflexion zu, wobei die dritte Strophe die tröstliche Wirkung von Sternen und Gottes Segen hervorhebt, die dem Dichter auf seinen Wegen Licht spenden. Die vierte Strophe verabschiedet sich von Stillings Haus und den Lieben, wobei die Berge als Ort der Trostfindung und Heilung von Schmerz und Gram gelobt werden. Die fünfte Strophe erinnert an gemeinsame, fröhliche Zeiten am Tisch Stillings, und hebt die Gastfreundschaft und Wärme hervor, die der Dichter dort erfuhr.

Die letzten beiden Strophen sind eine Huldigung an Stilling selbst. In der sechsten Strophe wird Stilling als ein geehrtes Haupt gefeiert, das trotz seines hohen Alters weiterhin anderen den Weg zu Gott weisen soll. Die siebte Strophe schließlich fokussiert auf Stillings Familie, insbesondere auf seine Tochter, Enkelin und Ehefrau, wobei die Einheit und das Glück in seinem Umfeld hervorgehoben werden. Das Gedicht endet mit einem herzlichen Abschied und dem Wunsch, dass die Flamme der Freundschaft und der Gastfreundschaft in Stillings Haus weiterhin leuchten möge.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.