An ein Bild
Den 29. März 1816.
Was schaust du mich so freundlich an,
O Bild aus weiter Ferne,
Und winkest dem verbannten Mann?
Er käme gar zu gerne.
Die ganze Jugend thut sich auf,
Wenn ich an dich gedenke,
Alls ob ich noch den alten Lauf
Nach deinem Hause lenke.
Gleich einem, der ins tiefe Meer
Die Blicke läßt versinken,
Nicht sieht, nicht hört, ob um ihn her
Viel tausend Schätze winken;
Gleich einem, der am Firmament
Nach fernem Sterne blicket,
Nur diesen kennt, nur diesen nennt,
Und sich an ihm entzücket:
Ist all mein Sehnen, all mein Muth
In dir, o Bild, gegründet,
Und immer noch von gleicher Gluth,
Von gleicher Lust entzündet.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „An ein Bild“ von Max von Schenkendorf ist eine zutiefst melancholische und romantische Reflexion über die Sehnsucht nach einer vergangenen Liebe oder einem Ideal, das in einem Bild festgehalten wird. Die Datierung (29. März 1816) deutet auf einen konkreten Anlass und einen persönlichen Bezug hin, was die Intimität des Gedichts noch verstärkt. Der Autor wendet sich direkt an das Bild, das als stummer Gesprächspartner fungiert und eine tiefe emotionale Resonanz auslöst.
In den ersten beiden Strophen wird die unmittelbare Reaktion des Sprechers auf das Bild beschrieben. Die freundliche Erscheinung des Bildes „aus weiter Ferne“ löst ein tiefes Verlangen nach Nähe aus, ein „Er käme gar zu gerne.“ Die Erinnerung an die „Jugend“ und die damit verbundenen Gefühle scheinen sich zu öffnen, was darauf hindeutet, dass das Bild eine Verbindung zu einer vergangenen, möglicherweise unbeschwerten Zeit herstellt. Der „alte Lauf“ deutet auf eine Gewohnheit oder einen Pfad hin, der durch das Bild wieder lebendig wird, wodurch die Macht der Erinnerung und der Sehnsucht betont wird.
Die beiden folgenden Strophen erweitern die Metaphorik der Sehnsucht. Der Vergleich mit demjenigen, der „ins tiefe Meer“ blickt oder nach einem „fernen Sterne“ sucht, verdeutlicht die völlige Vertiefung in das Bild und die damit verbundenen Gefühle. Alles andere, die „tausend Schätze“ oder die weltliche Ablenkung, treten in den Hintergrund, weil die Aufmerksamkeit des Sprechers ausschließlich auf das Bild und das, was es repräsentiert, gerichtet ist. Dies unterstreicht die Intensität und die Exklusivität der Sehnsucht, die sich in dem Bild verdichtet.
Die letzte Strophe fasst die Essenz des Gedichts zusammen. Alles Sehnen und aller Mut des Sprechers sind in dem Bild „gegründet“, was dessen zentrale Bedeutung für das emotionale Leben des Sprechers hervorhebt. Die „gleiche Gluth“ und die „gleiche Lust“ deuten darauf hin, dass die Gefühle, die durch das Bild geweckt werden, unverändert stark sind, und dass die Leidenschaft, trotz Entfernung und möglicherweise des Verlustes, anhält. Das Gedicht ist somit eine ergreifende Ode an die Macht der Erinnerung, die Liebe und die unstillbare Sehnsucht nach dem, was einmal war.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.