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An die Schweiz

Von

Im December 1813.

Es tönt in allen Landen
Ein Ruf zum heil′gen Streit;
In ihrer Kraft erstanden
Ist neu die Christenheit.
Die Stürme Gottes fahren
Und wecken jeden Mann,
Wie da vor grauen Jahren
Der Kreuzeszug begann.

Uralte Kräfte regen
Sich schön und fürchterlich,
In ihrer Gruft bewegen
Die Freiheithelden sich.
Es tritt aus seiner Höhle
Der Felsengreis, der Tell,
Und jauchzt aus voller Seele,
Und prüft den Bolzen schnell.

Und du nur könntest wanken,
Sonst hochgepries′ne Schweiz?
Geöffnet stehn die Schranken –
Hat Freiheittod nicht Reiz?
Du bliebest unentzündet
Von Gottes Wort und Strahl,
Wärst nicht mit uns verbündet,
Und hießest jetzt neutral?

O Schmach der feigen Seele,
Die solches Wort erdacht!
Kein freies Volk erwähle
So schlechte Grenzenwacht!
Dazu gab Gott uns Eisen,
Den Armen gab er Kraft,
Das männlich zu beweisen,
Wuchs mancher Lanzenschaft.

Wenn′s euch nach Schlaf gelüstet,
Wir haben Tag gemeint!
Wir kommen an gerüstet:
Freund, heißt es, oder Feind!
Euch rufen Väterheere:
»Ihr Schweizer! werdet wach!
Der keuschen Mütter Ehre
Errettet von der Schmach!«

»Wir konnten nimmer zeugen
Ein schwächliches Geschlecht;
Und wenn die Völker schweigen,
Die Felsen schrei′n um Recht!
O zündet schnell die Feuer
Auf hohen Alpen an;
Vielleicht erwarmt ein neuer
Held Gottes sich daran.«

Es gründeten die Dreie
Im stillen Felsenthal
Der Freiheit und der Treue
Ein Reich nach Gottes Wahl.
Nicht für ein kleines Streiten
Entbrannte das Gemüth;
Ein Held für alle Zeiten,
Fiel Arnold Winkelried.

Noch hängen Felsenmassen
An die Lawine sich;
Die Frommen ziehn und fassen
Einander kräftiglich.
Oft muß aus kleinem Samen
Die größte That gedeihn:
Darum, in Gottes Namen,
Ihr Schweizer! schlaget drein!

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: An die Schweiz von Max von Schenkendorf

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „An die Schweiz“ von Max von Schenkendorf ist eine pathetische Aufforderung an die Schweizer Eidgenossenschaft, sich aktiv an den Befreiungskriegen gegen Napoleon zu beteiligen, die 1813 tobten. Der Dichter nutzt eine sehr direkte, fast flehentliche Sprache, um die Schweizer zu ermutigen, sich von ihrer Neutralität zu lösen und sich dem Kampf für Freiheit und gegen die Tyrannei anzuschließen. Der Aufruf ist eingebettet in ein starkes Gefühl des Nationalstolzes und der historischen Verantwortung.

Schenkendorf beginnt mit dem Hinweis auf einen „Ruf zum heil’gen Streit“, der in ganz Europa erklingt. Er beschreibt die Wiedergeburt der „Christenheit“ und die „Stürme Gottes“, die die Menschen aufrütteln, was eine religiöse Dimension der Auseinandersetzung andeutet. Er nutzt historische Referenzen, insbesondere den Kreuzzug, um die Dringlichkeit des Kampfes und die historische Verantwortung der Schweizer hervorzuheben. Im zweiten Abschnitt beschwört er die Geister der Schweizer Helden der Vergangenheit, insbesondere Wilhelm Tell, um die Tradition des Freiheitskampfes und des Widerstands gegen Unterdrückung zu beschwören.

Der Kern des Gedichts liegt in der direkten Ansprache an die Schweiz. Schenkendorf drückt seine Enttäuschung darüber aus, dass die Schweiz noch neutral ist, und stellt rhetorische Fragen, um die Schweizer dazu zu bringen, ihre Position zu überdenken. Er malt ein Bild der „Schmach“, der „feigen Seele“ und der „schlechten Grenzenwacht“, die die Schweiz erleiden würde, wenn sie weiterhin passiv bliebe. Der Dichter appelliert an die Ehre und den Patriotismus der Schweizer, indem er sie an ihre historische Rolle als Verteidiger der Freiheit erinnert.

Das Gedicht gipfelt in einem Aufruf zum Handeln. Schenkendorf fordert die Schweizer auf, „Freund“ zu sein oder „Feind“, was eine klare Entscheidung erfordert. Er zitiert die Geister der Vorfahren, die die Schweizer zum Handeln auffordern und die Ehre der Mütter verteidigen. Die letzten Strophen erinnern an die Gründung der Eidgenossenschaft und die Opfer, die für die Freiheit gebracht wurden, wie die Heldentat von Arnold Winkelried. Der Dichter endet mit einem kraftvollen Aufruf, im Namen Gottes zu kämpfen und die Geschichte der Freiheit fortzusetzen.

Insgesamt ist „An die Schweiz“ ein starkes, propagandistisches Gedicht, das die historischen, religiösen und patriotischen Gefühle der Schweizer anspricht, um sie zum Eintritt in den Kampf gegen Napoleon zu bewegen. Die Verwendung von historischem Bezug, rhetorischen Fragen, direkter Ansprache und emotionaler Sprache macht das Gedicht zu einem wirkungsvollen Aufruf zur Aktion, der in der Zeit der Befreiungskriege politisch relevant war.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.