Am ersten Mai 1816
Hast du den Mai gesehen
In seinem hellen Strahl?
Da steht er auf den Höhen
Und schaut ins grüne Thal.
Er zog in leichten Träumen
Um deine Lagerstatt,
Nun streut er von den Bäumen
Dir Blüten auf den Pfad.
Nun schleicht er durch den Garten
Zu deiner Kammerthür,
Noch eh′ wir ihn erwarten
Schaut er durch′s Fenster hier.
Und ruft mit linden Worten,
Mit holdem Wink und Gruß,
Komm aus den dunkeln Pforten,
O komm herab zum Fluß,
Und sieh die Lerche steigen
Den hohen, fernen Schall;
Hör′ aus den dichten Zweigen
Den Schmerz der Nachtigall.
Das sind die alten Klänge,
Das ist das liebe Leid,
Die zärtlichen Gesänge,
Die jedes Jahr erneut.
Geheime Wünsche brechen
Den Blüten gleich hervor,
Und hundert Stimmen sprechen,
Komm Liebchen, komm ans Thor!
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Am ersten Mai 1816“ von Max von Schenkendorf ist eine ergreifende Ode an den Frühling und die damit verbundene Erneuerung von Liebe und Leben. Das Gedicht feiert die Ankunft des Mais und beschreibt detailliert, wie er die Natur durchdringt und die Sinne des lyrischen Ichs berührt. Die Verwendung von Bildern wie „hellen Strahl“, „grüne Thal“ und „Blüten auf den Pfad“ erzeugt eine lebendige und sinnliche Atmosphäre, die den Leser unmittelbar in die Szenerie eintauchen lässt.
Im Mittelpunkt des Gedichts steht die Personifizierung des Mais, der wie ein liebender Gast durch die Welt wandert. Er zieht „in leichten Träumen“ um die Lagerstatt der geliebten Person, streut „Blüten auf den Pfad“ und schleicht „durch den Garten“. Diese zarten Bilder vermitteln eine Atmosphäre von Zärtlichkeit und Vertrautheit. Der Mai ruft die Geliebte aus den dunklen, geschlossenen Räumen hinaus in die Natur, wo sie die Schönheit der Lerche und der Nachtigall erleben kann. Die Verwendung von Worten wie „linden Worten“ und „holdem Wink“ unterstreicht die sanfte und einladende Natur des Frühlings.
Das Gedicht geht über die bloße Beschreibung der Natur hinaus und verbindet sie mit Emotionen. Die „alten Klänge“ und das „liebe Leid“ deuten auf die Wiederholung von Gefühlen und Erfahrungen hin, die mit dem Frühling zurückkehren. Die zärtlichen Gesänge der Nachtigall symbolisieren die Sehnsucht und das Verlangen, die in der Natur und im menschlichen Herzen erwachen. Die Zeilen „Geheime Wünsche brechen / Den Blüten gleich hervor“ verdeutlichen, dass der Frühling nicht nur die Natur, sondern auch die verborgenen Sehnsüchte und Hoffnungen der Liebenden erweckt.
Das Gedicht ist eine Hommage an die Liebe und die Schönheit der Natur, die sich im Kreislauf des Frühlings erneuert. Schenkendorf verbindet auf gekonnte Weise Naturbilder mit menschlichen Emotionen, um eine Atmosphäre der Hoffnung und des Neubeginns zu schaffen. Die einprägsame Struktur, die klaren Bilder und die einfache Sprache machen das Gedicht zu einem zeitlosen Ausdruck der menschlichen Sehnsucht nach Liebe und Harmonie mit der Natur. Es ist eine Einladung, die Welt mit offenen Augen und einem offenen Herzen zu betrachten und die Freude an den kleinen Wundern des Frühlings zu genießen.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.