Traum
Lange lebt ich in den Straßen, und mit allen nackend,
Ich genoss, mein Geist war steif vor Aufenthalt –
Bis mir heut entstieg: Ich sei so nicht gerne.
Und aus Häusern, sich vergebens zahllos zackend,
Wie ein Strom eilt ich in den Wald,
Mich begleiteten die runden Sterne.
Mit dem Atmen aus der Nacht mich entschlackend,
Meinen Kopf schneeig weit und kalt,
So entschwand ich mir in die Ferne.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Traum“ von Alfred Wolfenstein schildert einen Moment der Befreiung und Selbstfindung, der sich in der Natur abspielt. Der Sprecher reflektiert über seine bisherige Existenz in den „Straßen“, die für ihn eine entmenschlichende, nahezu leere Umgebung darstellen. Die Worte „mit allen nackend“ deuten darauf hin, dass der Sprecher in der Masse der Menschen lebte, sich aber dabei entblößt und entfremdet fühlte. Sein „Geist war steif vor Aufenthalt“, was auf eine innere Erstarrung und das Fehlen von wahrer Freiheit hinweist.
Der Wendepunkt tritt ein, als der Sprecher plötzlich erkennt, dass er in dieser Art des Lebens nicht weitergehen möchte – „Ich sei so nicht gerne“. Diese Erkenntnis führt zu einer dramatischen Wendung: Er verlässt die Enge der Stadt und begibt sich auf eine Reise in die Natur, in den Wald. Der Wald wird hier zum Symbol der Erneuerung und des Loslösens von der künstlichen und bedrückenden Welt der Städte. Die „runden Sterne“, die ihn begleiten, könnten als Symbole für Orientierung und Hoffnung in einer neuen, freien Welt interpretiert werden.
Die dritte Strophe beschreibt, wie der Sprecher sich von der Schwere der Stadt und den Eindrücken der vergangenen Zeit befreit, indem er sich „mit dem Atmen aus der Nacht“ entschlackt. Der Wald, als Ort der Entspannung und der Klarheit, lässt ihn seinen „Kopf schneeig weit und kalt“ erleben – ein Bild für die Reinigung des Geistes und das Erleben von Freiheit in der Unberührtheit der Natur. Diese Szene unterstreicht den Wunsch nach innerer Erneuerung und einer Befreiung von den drückenden Erfahrungen der urbanen Welt.
Am Ende des Gedichts verschmilzt der Sprecher mit der Natur und „entschwinden sich in die Ferne“. Das „Entschwinden“ ist nicht nur eine Flucht vor der Stadt, sondern auch ein Symbol für das Aufgeben von alten Fesseln und die Hingabe an die unendliche Freiheit der Natur. Wolfenstein fängt hier die Sehnsucht nach einem ursprünglicheren, unverfälschten Zustand ein, der sich jenseits von gesellschaftlichen Normen und Zwängen abspielt.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.