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Die Stirn

Von

Himmel baut sich um die Brust mir bis zum Kiefer,
Aber durchbrechend sein Dach
Sprosst mein Auge frei hinaus, indes die Hüften tiefer
Stehen in Wiese und Luft, grünem und blauem Gemach!

Aber durchbrechend das Dach – in welchen Räumen
Wächst mein Haupt? Unten in Meer
Und Wald und irdischen Maschinen schäumen
Die Dinge lärmend und schwer

Dennoch nur wie leiser Schlaf in engen Wänden,
Wie ein bescheidenes Spiel!
Aber riesig über Himmelsschultern, Bergeslenden,
Schwebt die Stirn, – Sonne auf schmächtigem Stiel,

Drache, unerschöpflich über seinen Hälsen,
Mond über Ebbe und Flut,
Hochgebirg über allen Felsen,
Reicht die Stirn in jede Glut!

In das Schicksal reicht die Stirn – und kann nicht siegen,
Aber singen! – bis sie dem Schicksal gleicht an Glanz,
Aus der Erde klingend weltallgebogne Spiralen durchfliegen,
Bis sie hoch in den Sternen – mit Menschen sich trifft im Tanz.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Die Stirn von Alfred Wolfenstein

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Die Stirn“ von Alfred Wolfenstein entfaltet sich als eine metaphorische Reflexion über den menschlichen Geist und seine Suche nach Erhabenheit und Unabhängigkeit. Zu Beginn des Gedichts wird die Stirn als eine Art Konstrukt des Himmels beschrieben, das sich „um die Brust“ des Sprechers aufbaut und durch das Auge eine neue Perspektive auf die Welt eröffnet. Diese Vorstellung eines wachsenden Himmels und einer Erhebung des Blicks zeigt eine intensive Auseinandersetzung mit dem eigenen Denken und Wahrnehmen, das sich über die Erde erhebt und von einer höheren Perspektive aus die Welt betrachtet.

Im zweiten Abschnitt wird das Bild der Stirn durch das Motiv der „Hüften“ und der Körperlichkeit kontrastiert. Die Verbindung von Körper und Geist wird hier klar herausgearbeitet: Während das Haupt gen Himmel strebt, verankern die „Hüften“ den Körper in der Erde, in der Natur und den „irdischen Maschinen“. Die Elemente „Meer“ und „Wald“ sowie die „schäumenden“ Dinge deuten auf das unaufhörliche, lärmende Leben hin, das in seiner Schwere und Unruhe kontrastiert zur ruhigen, fast schlafartigen Existenz des Kopfes.

Trotz der scheinbaren Passivität in dieser Schilderung wird die Stirn als Symbol für eine riesige, unbezwingbare Kraft dargestellt. Sie schwebt „über Himmelsschultern“ und „Bergeslenden“, was sie mit einer metaphysischen Größe ausstattet. Die Bilder von „Drache“ und „Mond“ symbolisieren das Unermessliche und das Unerreichbare, während die „Stirn“ in eine unendliche „Glut“ reicht, was auf eine fast göttliche Bestimmung oder ein ewiges Streben nach Wahrheit und Erkenntnis hinweist.

Im letzten Abschnitt zeigt sich die unaufhaltsame, aber auch tragische Natur des Schicksals. Die Stirn, als ein Symbol des menschlichen Denkens und der Zielstrebigkeit, kann das Schicksal nicht besiegen, sondern nur „singen“. Doch diese „Gesänge“ verleihen ihr eine Art von Erhabenheit, die ihr ermöglicht, mit dem Schicksal in Einklang zu treten und sich im „Tanz“ der Sterne und Menschen zu vereinen. Das Gedicht endet auf einer hoffnungsvollen Note, die die Vereinigung von Geist und Schicksal als einen kontinuierlichen, zyklischen Prozess beschreibt – ein ewiges Streben nach Harmonie.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.