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Der kleine Franz

Von

Gestern noch im muntern Spiel
Mit den Seifenblasen
Sprang er viel und lachte viel
Auf dem grünen Rasen;
Abends drauf von meinen Knien
Späht‘ er nach den Sternen;
Jeden, der am Himmel schien,
Wollt‘ er kennen lernen.

„Gute Nacht nun! Morgen dann
Mir erzählst du weiter!“
Und er lächelte mich an,
Hüpfte fort so heiter;
Gestern noch so frisch im Glanz
Seiner sieben Jahre,
Liegt er heut, der kleine Franz,
Auf der Totenbahre.

Zarter Knabe, der du bang
Sonst im Finstern zagtest,
Sprich, wie du den großen Gang
Durch das Dunkel wagtest?
Wagtest, in den Schlund, davor
Alle zitternd stehen,
Durch das schwarzverhängte Tor
So allein zu gehen?

Seit dem letzten Sonnenstrahl
O wie weit die Reise!
Weiter, weiter tausendmal,
Als vom Kind zum Greise!
Jüngst erst auf der Mutter Schoß,
Ihr am Busen lagst du,
Nun die Größten riesengroß
Plötzlich überragst du.

Und mit allem, was ich kann,
Was ich bin und habe,
Nichts vermag ich dir fortan
Mehr zu lehren, Knabe;
Weiser du als Sokrates,
Ich an Geist erblindet,
Alles, alles weißt du es,
Was wir nie ergründet.

Lächelnd blickst auf uns du nun,
Denen du entrissen;
Kindisch dünkt dich unser Tun,
Unser Sein und Wissen.
Seit du über mich so hoch
Bist erhöht, o Kleiner,
Nur mit heil’gem Schauer noch
Denken kann ich deiner.

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Gedicht: Der kleine Franz von Adolf Friedrich von Schack

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Der kleine Franz“ von Adolf Friedrich von Schack schildert den plötzlichen Tod eines Kindes und reflektiert auf eindringliche Weise über das Unfassbare und Erhabene dieses Übergangs vom Leben in den Tod. In einer Mischung aus zärtlicher Erinnerung, tiefer Trauer und ehrfürchtiger Bewunderung wird die Transformation des kleinen Franz beschrieben, der innerhalb kürzester Zeit aus der lebendigen Welt in eine unerreichbare Sphäre entrückt ist.

Zu Beginn wird Franz in seinem fröhlichen, unbeschwerten kindlichen Treiben gezeigt: Er spielt, lacht und zeigt neugieriges Interesse an den Sternen. Diese lebendige Schilderung unterstreicht die Härte und Unerwartetheit seines Todes, der in der zweiten Strophe mit schmerzlicher Klarheit offenbart wird. Der Übergang von der vitalen Lebensfreude zur stillen Endgültigkeit der Totenbahre wirkt umso erschütternder.

In den folgenden Strophen ringt das lyrische Ich mit der Unbegreiflichkeit des Todes. Die Fragen nach dem Mut des Kindes, diesen letzten Gang durch das „schwarzverhängte Tor“ allein zu wagen, spiegeln die eigene Hilflosigkeit und das Staunen angesichts der Entschlossenheit, die dem kleinen Franz zugeschrieben wird. Der Weg in den Tod wird als unvorstellbar weit und tief empfunden, eine Reise, die weit über alle menschliche Erfahrung hinausgeht.

Im letzten Teil hebt das Gedicht Franz auf eine fast überirdische Stufe: Der Knabe, eben noch ein Schüler, ist nun „weiser […] als Sokrates“ und in einer Dimension angekommen, die dem lebenden Menschen unerreichbar bleibt. Das lyrische Ich erkennt seine eigene Begrenztheit an und beschreibt den verstorbenen Franz mit Ehrfurcht und heiliger Scheu. Der Tod wird hier nicht nur als Verlust, sondern auch als Übergang in eine höhere Erkenntnis dargestellt, der das kindliche Wesen in eine neue, erhabene Existenz überführt.

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Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.