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Das Schloß Boncourt

Von

Ich träum als Kind mich zurücke,
Und schüttle mein greises Haupt;
Wie sucht ihr mich heim, ihr Bilder,
Die lang ich vergessen geglaubt?

Hoch ragt aus schatt’gen Gehegen
Ein schimmerndes Schloß hervor,
Ich kenne die Türme, die Zinnen,
Die steinerne Brücke, das Tor.

Es schauen vom Wappenschilde
Die Löwen so traulich mich an,
Ich grüße die alten Bekannten,
Und eile den Burghof hinan.

Dort liegt die Sphinx am Brunnen,
Dort grünt der Feigenbaum,
Dort, hinter diesen Fenstern,
Verträumt ich den ersten Traum.

Ich tret in die Burgkapelle
Und suche des Ahnherrn Grab,
Dort ist’s, dort hängt vom Pfeiler
Das alte Gewaffen herab.

Noch lesen umflort die Augen
Die Züge der Inschrift nicht,
Wie hell durch die bunten Scheiben
Das Licht darüber auch bricht.

So stehst du, o Schloß meiner Väter,
Mir treu und fest in dem Sinn,
Und bist von der Erde verschwunden,
Der Pflug geht über dich hin.

Sei fruchtbar, o teurer Boden,
Ich segne dich mild und gerührt,
Und segn‘ ihn zwiefach, wer immer
Den Pflug nun über dich führt.

Ich aber will auf mich raffen,
Mein Saitenspiel in der Hand,
Die Weiten der Erde durchschweifen,
Und singen von Land zu Land.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Das Schloß Boncourt von Adelbert von Chamisso

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Das Schloß Boncourt“ von Adelbert von Chamisso ist eine nostalgische Rückschau auf die Kindheit des lyrischen Ichs, das in seinen Träumen eine längst vergangene Heimat wiederentdeckt. Zu Beginn des Gedichts zeigt sich eine Mischung aus Staunen und Wehmut, als der Sprecher „die Bilder“ seiner Kindheit, die er schon vergessen glaubte, wieder vor sich sieht. Die Erinnerung an das Schloss, das in seiner Kindheit eine wichtige Rolle spielte, wird durch lebhafte und detaillierte Bilder wiedererweckt.

Das Schloss wird als ein Ort der Geborgenheit und Vertrautheit beschrieben, das in den Erinnerungen des Sprechers eine starke Präsenz hat. Die Türme, Zinnen und die steinerne Brücke symbolisieren das historische Erbe und die Bedeutung des Ortes für die Familie des Sprechers. Besonders markant ist die Darstellung des Wappenschildes mit den Löwen, die dem Sprecher „so traulich“ gegenüberstehen, was eine emotionale Bindung an seine Vorfahren und das Erbe der Familie ausdrückt. In dieser Rückkehr zu einem vertrauten Ort zeigt sich die tiefe Sehnsucht nach der Vergangenheit und dem Verlust einer einmal erlebten Geborgenheit.

Die Erinnerungen werden weiter ausgeführt, als der Sprecher den Burghof betritt und von bekannten Symbolen der Familie spricht, wie der Sphinx am Brunnen und dem Feigenbaum. Die „Fenster“, hinter denen der erste „Traum“ erträumt wurde, verweisen auf die unbeschwerte Kindheit und die damit verbundene Vorstellung von Sicherheit und Harmonie. Der Besuch der Burgkapelle und das Suchen nach dem Grab des Ahnherrn verstärken das Gefühl des Rückblicks auf familiäre Wurzeln und das Erbe, das für den Sprecher nach wie vor von großer Bedeutung ist.

Doch der Gedichtsschluss bringt eine Wendung: Das Schloss ist „von der Erde verschwunden“, und der „Pflug geht über dich hin“. Diese Zeilen markieren das Ende einer Ära, symbolisiert durch die Zerstörung oder den Verfall des Schlosses, der als Metapher für den Verlust von Tradition und Heimat steht. Dennoch segnet der Sprecher den Boden und die Erde, was seine tiefe Verbundenheit mit der Herkunft und der Natur zum Ausdruck bringt. Der letzte Vers, in dem der Sprecher seine Reise „von Land zu Land“ beschreibt, deutet auf einen neuen Lebensabschnitt hin, der von Bewegung und Veränderung geprägt ist. Der Abschied von der Vergangenheit wird mit einer Mischung aus Trauer und Hoffnung auf ein neues Abenteuer verbunden.

Das Gedicht vermittelt also nicht nur eine tiefe Sehnsucht nach der Heimat, sondern auch die Erkenntnis, dass der Wandel Teil des Lebens ist. Der Sprecher akzeptiert diesen Wandel, während er gleichzeitig die Verbindung zu seiner Vergangenheit und seinen Wurzeln bewahrt. Die Musik und das Saitenspiel symbolisieren dabei den Wunsch nach Freiheit und die Bereitschaft, die Welt zu erkunden, während die Erinnerung an das Schloss und die Familie in ihm weiterlebt.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.