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Letzter Versuch

Von

Ich habe mich zu erhängen gesucht:
Der Strick ist abgerissen.
Ich bin ins Wasser gesprungen:
Sie erwischten mich bei den Füßen.
Ich habe die Adern geöffnet mir:
Man hat mich noch gerettet.
Ich sprang auch einmal zum Fenster hinaus:
Weich hat der Sand mich gebettet.
Den Teufel! ich habe nun alles versucht,
Woran man sonst kann verderben –
Nun werd‘ ich wieder zu leben versuchen:
Vielleicht kann ich dann sterben.

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Gedicht: Letzter Versuch von Ada Christen

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Letzter Versuch“ von Ada Christen ist ein schonungsloses, sarkastisch gefärbtes Zeugnis tiefster Verzweiflung. In knappen, direkten Versen schildert das lyrische Ich mehrere gescheiterte Suizidversuche und lässt die Lesenden in eine düstere, aber auch bitter-ironische Welt blicken, in der selbst der Tod nicht erreichbar scheint.

Der Aufbau des Gedichts ist repetitiv und zeigt eine Aneinanderreihung von drastischen Handlungen – Erhängen, Ertrinken, Verbluten, der Sprung aus dem Fenster. Doch jedes Mal scheitert der Versuch. Die nüchterne Sprache, die fast lakonisch wirkt, verstärkt die Absurdität und Tragik der Situation. Es entsteht das Bild eines Menschen, der selbst im Sterben vom Leben aufgehalten wird – ein makabrer Kontrast, der Mitleid, aber auch Staunen weckt.

Besonders auffällig ist der schwarze Humor in der letzten Strophe. Die Wendung „Den Teufel! ich habe nun alles versucht“ bringt trotz der Thematik eine fast trotzig-aufbegehrende Stimme zum Vorschein. Die abschließende Ironie – man werde „wieder zu leben versuchen“, um „vielleicht“ sterben zu können – bringt die paradoxe Situation auf den Punkt: Der Tod entzieht sich, das Leben erscheint als letzter Versuch in einem gescheiterten System.

Ada Christen gelingt es in diesem Gedicht, existenzielle Themen wie Lebensmüdigkeit, Isolation und Ausweglosigkeit ohne Pathos, aber mit tiefer emotionaler Wucht zu formulieren. Die Kälte der Welt und die Sinnlosigkeit des eigenen Daseins stehen neben einer Art trotzigem Überlebenswillen, der sich gerade aus der Erfolglosigkeit der Suizidversuche speist. So offenbart sich in der resignativen Schlusszeile auch ein Funken schwarzer Hoffnung – Leben als letzter, unfreiwilliger Ausweg.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.