Abdallah, Hassans Sohn, der vor dem Großvizier,
Wie vor dem Mahomet, sich bis zur Erde krümmte,
Fleht um ein reiches Amt, das der dem Seraskier,
Dem Pascha Bajazet, freundvetterlich bestimmte.
Ihn hört der Großvizier, und sagt geschwinde: Nein.
Er dankt. Wie? Dein Gesuch wird gänzlich abgeschlagen!
Abdallah kniet, und spricht: Die Huld ist ungemein,
Daß ich nicht harren darf, da sie mir′s gleich versagen.
Abdallah
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Abdallah“ von Friedrich von Hagedorn ist eine pointierte Anekdote, die eine bemerkenswerte Tugend in den Vordergrund rückt: die Akzeptanz und Dankbarkeit für eine Ablehnung. Das Gedicht beginnt mit einer Beschreibung der demütigen Haltung Abdallahs, der sich vor dem Großvizier verbeugt. Diese Geste der Unterwerfung, die mit der Ehrfurcht vor Mahomet verglichen wird, deutet auf eine tiefe Ehrfurcht und den Wunsch nach einem Amt hin, das ihm vom Großvizier gewährt werden soll. Die Szene ist in einem orientalischen Ambiente angesiedelt, das die Geschichte zusätzlich exotisch wirken lässt.
Der Kern des Gedichts liegt in der unerwarteten Wendung. Der Großvizier lehnt Abdallahs Bitte sofort ab. Anstatt mit Verbitterung oder Enttäuschung zu reagieren, zeigt Abdallah eine bemerkenswerte Gelassenheit. Er bedankt sich für die Ablehnung, was die Erwartungen des Lesers auf den Kopf stellt. Diese Reaktion offenbart eine tiefe Weisheit und die Fähigkeit, die Dinge in einem größeren Kontext zu sehen. Abdallah scheint nicht an dem Amt selbst interessiert zu sein, sondern an der Ehre, die ihm durch die Möglichkeit der Bitte gewährt wurde.
Die Kürze und Prägnanz des Gedichts verstärken seine Wirkung. Die Sprache ist klar und direkt, ohne Schnörkel. Die wenigen Verse konzentrieren sich auf die wesentlichen Elemente der Szene und die unerwartete Reaktion Abdallahs. Der Reim, der im ersten und letzten Vers deutlich wird, verleiht dem Gedicht einen musikalischen Fluss und unterstützt die Pointierung. Die letzte Zeile, in der Abdallah seine Dankbarkeit mit der Aussage, dass er nicht warten musste, noch verstärkt, unterstreicht die tiefe Weisheit und Gelassenheit des Protagonisten.
Das Gedicht vermittelt eine subtile, aber wirkungsvolle Moral. Es lehrt die Akzeptanz des Schicksals und die Wertschätzung für die kleinen Gesten der Gnade, selbst wenn sie nicht zu den gewünschten Ergebnissen führen. Abdallahs Haltung kann als Beispiel für innere Stärke und die Fähigkeit, mit Würde und Dankbarkeit auf Ablehnung zu reagieren, interpretiert werden. Hagedorn präsentiert hier eine lehrreiche Anekdote, die durch ihre unerwartete Wendung und die prägnante Sprache nachhaltig im Gedächtnis bleibt.
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Lizenz und Verwendung
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