Autor: Meister Eckhart

Eckharts Ziel war es, Grundsätze für eine konsequent spirituelle Lebenspraxis im Alltag zu verbreiten. Seine unkonventionellen und teils provokant formulierten Aussagen erregten Aufsehen und widersprachen damals weit verbreiteten Überzeugungen. Umstritten war zum Beispiel seine Aussage, dass der „Seelengrund“ nicht wie alles Geschaffene von Gott erschaffen sei, sondern selbst göttlich und ungeschaffen sei. Im Seelengrund sei die Gottheit stets unmittelbar präsent. Eckhart griff oft auf Gedankengut der neuplatonischen Tradition zurück. Obwohl er oft als Mystiker charakterisiert wird, ist die Angemessenheit dieser Bezeichnung in der Forschung umstritten.
Nach einer langen Karriere im Dienst des Ordens in wichtigen Positionen wurde Eckhart in seinen späteren Jahren von zwei Mitbrüdern der Ketzerei (Irrlehre) beschuldigt und angeklagt. Der in Köln eingeleitete Inquisitionsprozess wurde am päpstlichen Hof in Avignon neu aufgenommen und 1329 abgeschlossen. Eckhart starb dort noch vor Abschluss des Verfahrens. Da er sich von Anfang an dem Urteil des Papstes unterworfen hatte, wurde er nicht als Ketzer eingestuft.
Papst Johannes XXII. verurteilte 1329 mit der Bulle „In agro dominico“ eine Reihe seiner Aussagen als Irrlehren und verbot die Verbreitung seiner Werke. Eckhart wollte kein Ketzer sein. Er entwarf ein dreiteiliges Werk (Opus tripartitum): ein Werk der Thesen, ein Werk der Probleme und ein Werk der Auslegungen. Eckhart stand mit seinem Glauben in der Kirche.
Viele Menschen sehnten sich zur Zeit der Kirchenspaltung im ausgehenden Mittelalter nach einer direkten Gotteserfahrung und wandten sich der Mystik zu. Eckhart formulierte in seinen Schriften und Predigten immer wieder die Kernsätze seiner Theologie und versuchte, den Menschen seine Vorstellung von Gott zu vermitteln: Gott als höchstes, abstraktes Wesen, das dem Menschen liebevoll in seiner Seele begegnet, wenn er sich ganz auf ihn einlässt und von allem Irdischen frei wird.
