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An das Meer

Von

O Meer, verlieh′st du nicht den brennendrothen Saft,
Den heil′gen Purpur, draus man Kön′gen Mäntel schafft,
Den Männern von Beryt und Tyrus?
O finstres Meer, lag nicht in deiner grauen Flut
Die dunkle Röthe, die mit königlicher Glut
Umfloß den Heldenleib des Cyrus?

O du, des schwärzlichen Meergottes farb′ger Sohn,
Purpur, bedecktest du nicht Alexanders Thron
Im Land der Inder und der Scythen? –
O Meer, dein dunkler Schooß verbirgt ein Labyrinth
Von Wundern; – ist nicht auch die Perl′, o Meer, dein Kind?
Gebarst du nicht selbst Aphrodite′n?

Ja, du bist reich! ich sah bis auf den Grund dich, Meer!
Wie dem von Sidon du die Muschel gabst, daß er
Den Purpur auf die Wolle drücke:
So hast du meinem Blick dein Inn′res aufgethan,
So ließest du im Geist mich deine Pracht empfahn,
Auf daß sie meine Lieder schmücke.

Die alten Schätze, die auf deinem Boden ruhn,
Die Horte, die man einst in dich versenkt, die Truh′n,
Die durch das blaue Wasser blitzen;
Die Drachen, deren Mund blutrothe Flammen speit,
Die, Scepter in den Klau′n, im Scharlachschuppenkleid
Das anvertraute Gut beschützen;

Die Schlange, deren Leib, gleichwie ein Meridian,
Die halbe Welt umspannt, die Keines Augen sahn,
Als meine, die mit sieben Zungen
Das Eis des Nordpols leckt (- es schmilzt von ihrem Hauch,
Die Gleichersonne senkt durch′s Wasser ihren Bauch,
Den Südpol hält ihr Schweif umschlungen);

Die Städte, die dein Mund in seine Tiefe riß –
(Als Wächter stehn am Thor und fletschen das Gebiß
Meermänner mit blutgier′gen Blicken -);
Den Seepolypen, der mit haar′gen Armen zuckt,
Den Leviathan, der den Mond dereinst verschluckt,
Wenn er vom Himmel fällt in Stücken;

Das Grab Neptuns – in das, als er gestorben war,
Als ihn kein Steuermann mehr rief in der Gefahr
Als jeder sich an Heil′ge wandte,
An Fischefänger auf dem See Genezareth,
Und nicht an ihn mehr, dem der Aethiop das Fett
Von hundert Stieren einst verbrannte –

Sein Grab, in welches ihn ertrunkne Römer und
Hellenen – sie auch, die der rothgefärbte Sund
Von Salamis verschlang – begruben,
Sich drüber legten, und – o, welch ein Leichenstein! –
Aus ihrem eigenen verwitterten Gebein
Dem todten Gott ein Mal erhuben;

Die Flaschen, die der Ring des Salomo verschloß,
Die seit Jahrtausenden dein Wasser schon umfloß;
Die Krüge, gläsern oder irden,
In denen Geister sind, entsetzlich von Gestalt,
Die losgelassen dich, o Weltmeer, wie Asphalt
In lichte Flammen setzen würden: –

All′ hab′ ich es gesehn! – du hast dich mir gezeigt,
Auf daß mein Mund von dir und deinen Wundern zeugt,
Uraltes Meer, vor meinem Sterben.
Du reichst den Purpur mir: mein Lied ist das Gewand,
Auf dem er glühen soll, ich tauche mit der Hand
In deine Flut, mein Lied zu färben.

Sieh′, wie es funkelt! sieh′, schon glänzt es purpurroth,
Schon glüht es farb′ger, als die Flagge, die das Boot
Aus China schmückt vor Surabaya!
Schon geht es, buntgeschuppt, in seiner Pracht einher;
Dem Goldfisch ist es gleich, dem blitzenden, wenn er
Sich sonnt im Busen von Biscaya.

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Gedicht: An das Meer von Ferdinand Freiligrath

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „An das Meer“ von Ferdinand Freiligrath ist eine begeisterte Ode an die Schönheit, den Reichtum und die Geheimnisse des Meeres. Es ist eine Liebeserklärung an die Macht und die unendliche Faszination des Ozeans, die durch eine Fülle von Bildern und Vergleichen zum Ausdruck gebracht wird. Das Gedicht ist reich an Anspielungen auf die Geschichte, Mythologie und Kultur, wodurch das Meer als Spiegel der Welt und als Quelle der Inspiration dargestellt wird.

In den ersten Strophen wird die Verbindung des Meeres zu Macht, Reichtum und Herrschaft betont. Das Meer wird als Geber des Purpurschildes dargestellt, einem kostbaren Farbstoff, der Königen vorbehalten war. Die Erwähnung von Persönlichkeiten wie Cyrus und Alexander dem Großen unterstreicht die historische Bedeutung des Meeres und seine Assoziation mit Ruhm und Eroberung. Die Frageform, die sich durch das gesamte Gedicht zieht, unterstreicht die Ehrfurcht des Sprechers vor der Größe des Meeres und seine Neugier auf seine Geheimnisse.

Die mittleren Strophen des Gedichts tauchen tiefer in die verborgenen Schätze und Wunder des Meeres ein. Es werden Bilder von versunkenen Städten, mythischen Kreaturen wie Drachen und Schlangen sowie von mythologischen Figuren wie Neptun beschworen. Diese Vielfalt an Bildern deutet auf die unendliche Tiefe und das Geheimnis des Meeres hin, das eine Welt jenseits der menschlichen Vorstellungskraft birgt. Freiligrath bedient sich einer reichen Symbolik, um die Mystik des Meeres zu veranschaulichen.

Die letzten Strophen sind eine persönliche Zuneigung des Sprechers zum Meer. Er behauptet, die Geheimnisse des Meeres gesehen zu haben und ist nun berufen, von ihnen zu künden. Er vergleicht sein Gedicht mit einem Purpurgewand, das er mit den Farben des Meeres färbt. Das Gedicht wird so zu einer Manifestation der Schönheit und des Reichtums des Meeres. Abschließend wird das Gedicht als leuchtend und prächtig dargestellt, wie ein Goldfisch, der sich in der Sonne sonnt, was die transformative Kraft des Meeres auf die Kunst hervorhebt.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.