O glaube nicht, daß diese Feier
Beende auch des Lebens Mai:
Nein, mit dem Gürtel und dem Schleier
Reißt nur ein eitler Wahn entzwei.
Doch wo nicht Wahn, wo echtes Minnen
Die Herzen an einander band,
Da weben heil′ge Spinnerinnen
Den Einschlag in des Schleiers Rand.
Die Nornen weben unvergänglich
Als einen Zauberschleier ihn,
So nimm ihn hin: dann überschwänglich
Ist Segen Dir mit ihm verlieh′n.
Braut- und Hochzeit-Gedichte
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Braut- und Hochzeit-Gedichte“ von Felix Dahn, das hier interpretiert werden soll, zelebriert in lyrischer Form die wahre Bedeutung der Ehe, indem es eine Unterscheidung zwischen oberflächlichem Schein und echter, tiefer Verbundenheit vornimmt. Es beginnt mit einer nüchternen Feststellung, dass die Hochzeitsfeier den Frühling des Lebens nicht beendet, sondern lediglich einen „eitlen Wahn“ zerbricht, symbolisiert durch den Hochzeitsgürtel und den Schleier. Diese ersten vier Verse stellen die anfängliche, möglicherweise enttäuschende Realität der Ehe dar, in der die anfängliche Illusion der Romantik und des Glücks durch die Alltagserfahrung abgelöst werden kann.
Die darauffolgenden Verse lenken den Fokus weg von dieser oberflächlichen Betrachtung und hin zur Essenz der wahren Ehe. Hier wird die Verbindung von Herzen, die auf wahrer Liebe und „echtem Minnen“ basiert, hervorgehoben. In diesem Kontext weben „heil’ge Spinnerinnen“ einen Einschlag in den Schleier, der nun als Symbol für Beständigkeit und Ewigkeit dient. Die Verwendung des Wortes „weben“ in Verbindung mit „heil’ge Spinnerinnen“ deutet auf eine metaphysische Dimension hin, in der die Ehe nicht nur ein menschliches Konstrukt, sondern ein heiliges, von höheren Mächten gewirktes Band ist.
Die „Nornen“, die Schicksalsgöttinnen der nordischen Mythologie, werden als Weberinnen dieses unvergänglichen „Zauberschleiers“ genannt. Dies unterstreicht die Vorstellung, dass eine auf Liebe basierende Ehe nicht nur von kurzer Dauer ist, sondern von den Fäden des Schicksals gewebt und somit von ewiger Gültigkeit ist. Die Verwendung dieses mythologischen Bezugs verstärkt die feierliche und bedeutungsschwere Natur des Gedichts. Der „Zauberschleier“ wird als Geschenk betrachtet, dessen Annahme den Segen des Himmels verspricht.
Insgesamt ist das Gedicht eine poetische Hommage an die wahre Ehe, die sich von der oberflächlichen Darstellung der Hochzeitszeremonie abhebt. Es betont die Bedeutung der Liebe und der tiefen gegenseitigen Verbundenheit als Grundlage für eine dauerhafte Beziehung. Durch die Verwendung von Bildern wie dem Schleier, den Spinnerinnen und den Nornen verleiht Dahn dem Gedicht eine sakrale und mythologische Tiefe, die die Ehe als ein heiliges Band und ein Geschenk des Schicksals darstellt. Die Botschaft des Gedichts ist klar: Nur wo wahre Liebe herrscht, ist die Ehe von Dauer und kann Segen bringen.
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Lizenz und Verwendung
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