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Thränen in schwerer Krankheit

Von

Mir ist, ich weiß nicht wie, ich seufze für und für.
Ich weine Tag und Nacht; ich sitz‘ in tausend Schmerzen;
Und tausend fürcht‘ ich noch; die Kraft in meinem Herzen
Verschwindt, der Geist verschmacht‘, die Hände sinken mir.

Die Wangen werden bleich, der muntern Augen Zier
Vergeht gleich als der Schein der schon verbrannten Kerzen.
Die Seele wird bestürmt, gleich wie die See im Märtzen.
Was ist dies Leben doch, was sind wir, ich und ihr?

Was bilden wir uns ein, was wünschen wir zu haben?
Itzt sind wir hoch und groß, und morgen schon vergraben;
Itzt Blumen, morgen Kot. Wir sind ein Wind, ein Schaum,

Ein Nebel und ein Bach, ein Reif, ein Tau, ein Schatten;
Itzt was und morgen nichts. Und was sind unsre Taten
Als ein mit herber Angst durchmischter Traum.

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Gedicht: Thränen in schwerer Krankheit von Andreas Gryphius

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Thränen in schwerer Krankheit“ von Andreas Gryphius ist eine tief empfundene Klage über körperliches Leiden und die Vergänglichkeit des menschlichen Lebens. Es spiegelt das barocke Vanitas-Motiv wider, das die Nichtigkeit weltlicher Existenz und die unausweichliche Nähe des Todes betont. Bereits in den ersten Versen wird die Verzweiflung des lyrischen Ichs deutlich: Es leidet unter Schmerzen, Erschöpfung und Todesfurcht. Die körperlichen Symptome – Blässe, nachlassende Kraft, verlöschender Blick – verstärken die düstere Atmosphäre. Besonders eindrucksvoll ist der Vergleich der Seele mit der stürmischen See im März, die von unaufhörlichen Wellen erschüttert wird, was auf innere Unruhe und Ängste hindeutet. In der zweiten Hälfte des Gedichts geht die persönliche Klage in eine allgemeine Reflexion über. Der Mensch ist vergänglich wie Wind, Schaum, Nebel oder Tau – flüchtige Erscheinungen, die keine bleibende Substanz haben. Auch menschliche Taten erweisen sich letztlich als bedeutungslos, „ein mit herber Angst durchmischter Traum“. Mit dieser resignierten Erkenntnis schließt das Gedicht und verleiht der Todesangst des lyrischen Ichs eine tiefere, existentielle Dimension. Gryphius zeigt so eindringlich die Ohnmacht des Menschen gegenüber der Zeit und dem Schicksal.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.