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Da sind die Straßen…

Von

Da sind die Straßen weit und Licht-durchschrieen,
hoch wölkt der Staub und breitet aus den Schein,
durch den gehetzt Kolonnen Wagen fliehen
in violette Dunkelheit hinein.

Und Menschen, massenhaft und schwarz, durchstürmen
die Straßen, vorgebeugt und frongebannt.
Und Feierabend läutet von den Türmen
der Stadt, verloren, hoch und unerkannt.

Lärm stößt an Lärm. Schmerzhelle Klingeln schellen,
zersägend das Gehör. Wagen mit Eisen
erschüttern. Die Elektrische mit grellen
Schleiftönen nimmt die Kurve in den Gleisen.

Und meiner Nerven Netz, so fein besaitet,
drin Perlen hängen aus dem ewigen Meer:
es ist als Teppich in den Staub gebreitet,
und gräßlich wälzt der Tag sich drüberher.

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Gedicht: Da sind die Straßen… von Ernst Wilhelm Lotz

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Da sind die Straßen…“ von Ernst Wilhelm Lotz zeichnet ein düsteres Bild des städtischen Lebens und der Entfremdung des Individuums. Der Titel etabliert sofort die Atmosphäre der Unpersönlichkeit und Weite, indem er sich auf die allgegenwärtigen Straßen konzentriert, die als zentrales Element der Szenerie fungieren. Die Beschreibung der Straßen, durchzogen von Licht und Staub, erzeugt ein Gefühl von Bewegung und Unruhe, wobei die „violette Dunkelheit“ am Ende der ersten Strophe bereits auf das tragische Ende hindeutet.

Die folgenden Strophen vertiefen das Bild der urbanen Hektik und des menschlichen Leidens. Die „masssenhaft und schwarz“ auftretenden Menschen, „vorgebeugt und fronverbannt“, drücken eine beklemmende Atmosphäre von Unterdrückung und Hoffnungslosigkeit aus. Das Läuten des Feierabends, welches aus den Türmen der Stadt ertönt, wirkt paradoxerweise verloren und unerkannt, was die allgemeine Isolation und Entfremdung der Menschen unterstreicht. Der Lärm, der „Schmerzhelle Klingeln“ und die Geräusche der Fahrzeuge verstärken diesen Eindruck, indem sie die sensorische Überlastung und das Gefühl der Zerstörung des Einzelnen verdeutlichen.

Im Zentrum des Gedichts steht die innere Zerrissenheit des lyrischen Ichs. Seine „Nerven Netz“ wird als „so fein besaitet“ beschrieben, was auf eine hohe Sensibilität und Verletzlichkeit hindeutet. Die „Perlen“ aus dem „ewigen Meer“ könnten für Erinnerungen, Emotionen oder die Seele des Sprechers stehen. Die Metapher des „Teppichs“, der im Staub „ausgebreitet“ ist, verdeutlicht die Zerstörung, welche die äußere Welt auf die innere Welt des Sprechers ausübt. Die finale Zeile, in der sich der Tag „gräßlich“ über den Teppich wälzt, zeigt die überwältigende Macht der zerstörerischen Umwelt und das Leid, das sie verursacht.

Lotz verwendet in seinem Gedicht eine Vielzahl von sprachlichen Mitteln, um diese düstere Stimmung zu erzeugen. Die Verwendung von Adjektiven wie „schwarz“, „schmerzhell“ und „gräßlich“ verstärkt die negative Konnotation und die emotionale Belastung. Die Metaphern und Vergleiche, wie das „Nerven Netz“ und die „Perlen“, verleihen dem Gedicht eine zusätzliche Ebene der Tiefe und des Verständnisses. Durch die Kombination von bildhafter Sprache, detaillierter Beschreibung der Umgebung und der Fokussierung auf das Innenleben des lyrischen Ichs gelingt es Lotz, ein eindringliches Porträt der Entfremdung in der modernen Großstadt zu zeichnen.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.