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Herbstgang

Von

Und strahlend unter goldnem Baldachin
um starre Wipfel funkelnd hingebreitet
und Kronen tragend gehn wir hin
und flüsternd gleitet
dein süßer Tritt gedämpft im bunten Laub.
Aus wilden schwanken lachenden Girlanden
rieselt′s wie goldner Staub
und webt sich fließend ein in den Gewanden
und heftet wie Juwelen schwer
sich dir ins Haar und jagt vom Licht gehetzt
in grellen Wirbeln vor uns her
und sinkt aufstiebend in das wirre Meer
kräuselnder Blätter die vom Abendduft genetzt
wie goldgewirkte Teppiche sich spannen …

Nun lischt im fernsten Feld der letzte Laut.
Vom Feuer leis umglüht ragen die Tannen.
Ein feiner dünner Nebel staut
und schlingt sich bäumend um zermürbte Reiser
und irgendwo zerfällt ein irres Rufen.

Und deiner Schleppe Goldsaum knistert leiser
und atmend steigen wir auf steilen Stufen.
Weit wächst das Land von Schatten feucht umballt.

Drohend aus Nebeln reckt sich Baum an Baum.
Und schwarz umfängt uns schon der große Wald.
Und dunkel trägt uns schon der große Traum.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Herbstgang von Ernst Stadler

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Herbstgang“ von Ernst Stadler zeichnet ein komplexes Bild des Übergangs vom sonnigen Herbsttag in die Dunkelheit des Abends und der Nacht, wobei die Stimmung von Leuchtkraft und Bewegung in eine Atmosphäre der Stille, des Nachdenkens und der drohenden Dunkelheit kippt. Der lyrische Sprecher und eine Begleiterin, wahrscheinlich eine Geliebte, machen einen Spaziergang, der als Metapher für den Lauf der Zeit und die Vergänglichkeit des Lebens verstanden werden kann.

Die erste Strophe beschreibt die Pracht des Herbstes mit seinen goldenen Farben und dem funkelnden Licht, das von den Kronen der Bäume reflektiert wird. Die Beschreibung des bunten Laubs, das wie Goldstaub rieselt und sich in den Kleidern der Frau verfängt, erzeugt ein Gefühl von Sinnlichkeit und Schönheit. Das Licht, das „gehetzt“ vor den beiden herjagt, deutet bereits auf die bevorstehende Veränderung hin. Die Verwendung von Begriffen wie „Wirbel“ und „Meer kräuselnder Blätter“ erzeugt ein Gefühl von Bewegung und Leben, das jedoch durch die Beschreibung des „Abenddufts“ bereits einen Hinweis auf den nahenden Abend und das Ende des Tages enthält.

Die zweite Strophe markiert den Übergang in die Stille und Dunkelheit. Das „Lischen“ des letzten Lautes und die Beschreibung der „Tannen“, die „vom Feuer leis umglüht“ ragen, signalisieren den Beginn der Abenddämmerung. Ein feiner Nebel legt sich wie ein Schleier über die Landschaft, und ein „irres Rufen“ deutet auf eine Unheimlichkeit hin. Das Geräusch der Schleppe der Frau, das „leiser knistert“, verstärkt das Gefühl der Stille und des nahenden Abschieds vom Tag. Die gemeinsame Wanderung „auf steilen Stufen“ symbolisiert den Weg, den sie zusammen beschreiten, und die Anstrengung, die damit verbunden ist.

Die letzte Strophe verdichtet die Atmosphäre der Dunkelheit und des Unbekannten. Das Land wird von Schatten „feucht umballt“, und der Wald, der „drohend“ aus den Nebeln ragt, symbolisiert die Finsternis und die Gefahren, die mit der Nacht verbunden sind. Das „Schwarz“ umfängt die beiden, und der „große Traum“ trägt sie schon. Dieser Übergang in den Traum kann als Metapher für den Tod oder das Unbekannte interpretiert werden, das am Ende des Lebensweges auf uns wartet. Das Gedicht ist somit ein kraftvolles Bild des Herbstes, das von der Schönheit und Freude des Tages bis zur Dunkelheit und Melancholie des Abends reicht und dabei über die Vergänglichkeit des Lebens nachdenkt.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.