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Einsamkeit

Von

In dieser Einsamkeit, der mehr denn öden Wüsten,
Gestreckt auf wildes Kraut, an die bemooste See:
Beschau ich jenes Tal und dieser Felsen Höh‘,
Auf welchem Eulen nur und stille Vögel nisten.

Hier, fern von dem Palast; weit von des Pöbels Lüsten,
Betracht‘ ich: wie der Mensch in Eitelkeit vergeh‘,
Wie, auf nicht festem Grund all unser Hoffen steh‘,
Wie die vor Abend schmähn, die vor dem Tag uns grüßten.

Die Höll‘, der rauhe Wald, der Totenkopf, der Stein,
Den auch die Zeit auffrisst, die abgezehrten Bein‘
Entwerfen in dem Mut unzählige Gedanken.

Der Mauern alter Graus, dies unbebaute Land
Ist schön und fruchtbar mir, der eigentlich erkannt,
dass alles, ohn‘ ein‘ Geist, den Gott selbst hält, muss wanken.

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Gedicht: Einsamkeit von Andreas Gryphius

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Einsamkeit“ von Andreas Gryphius ist eine barocke Meditation über Vergänglichkeit und die Nichtigkeit weltlicher Hoffnungen. Das lyrische Ich beschreibt eine abgelegene, wilde Landschaft mit moosbewachsenen Seen, Felsen und unbewohnten Höhen, die nur von Eulen und stillen Vögeln bewohnt werden. Diese einsame Szenerie dient als Spiegel für die existenzielle Einsamkeit des Menschen und die Vergänglichkeit aller irdischen Dinge.

Fernab von Palästen und den Vergnügungen des Volkes reflektiert das lyrische Ich über die Unbeständigkeit des Lebens. Menschen, die einst freundlich grüßten, können sich noch am selben Tag abwenden – eine deutliche Mahnung an die Unzuverlässigkeit und Oberflächlichkeit menschlicher Beziehungen. Die Natur um ihn herum verstärkt diesen Gedanken: Totenköpfe, verfallene Mauern und die karge Landschaft erinnern an den unausweichlichen Zerfall aller Dinge.

Doch das Gedicht endet nicht nur mit düsterer Resignation. In der letzten Strophe wird klar, dass diese trostlose Welt für denjenigen fruchtbar und schön erscheint, der ihre wahre Bedeutung erkennt. Alles Irdische ist vergänglich, doch das Göttliche bleibt beständig. Nur ein von Gott getragener Geist kann dem Verfall standhalten. So wird die Einsamkeit nicht nur als Rückzug aus der Welt, sondern auch als Möglichkeit der spirituellen Erkenntnis dargestellt.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.