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Ballhaus

Von

Farbe prallt in Farbe wie die Strahlen von Fontänen, die ihr Feuer ineinanderschießen,

Im Geflitter hochgeraffter Röcke und dem Bausch der bunten Sommerblusen. Rings von allen Wänden, hundertfältig

Ausgeteilt, strömt Licht. Die Flammen, die sich zuckend in den Wirbel gießen,

Stehen, höher, eingesammelt, in den goldgefaßten Spiegeln, fremd und hinterhältig,

Wie erstarrt und Regung doch in grenzenlose Tiefen weiterleitend, Leben, abgelöst und fern und wieder eins und einig mit den Paaren,

Die im Bann der immer gleichen Melodien, engverschmiegt, mit losgelassnen Gliedern schreitend,

Durcheinanderquirlen: Frauen, die geschminkten Wangen rot behaucht, mit halb gelösten Haaren,

Taumelnd, nur die Augen ganz im Grund ein wenig matt, die in das Dunkel leerer Stunden laden,

Während ihre Körper sich im Takt unkeuscher Gesten ineinanderneigen,

Ernsthaft und voll Andacht: und sie tanzen, gläubig blickend, die Balladen

Müd gebrannter Herzen, lüstern und verspielt, und vom Geplärr der Geigen

Wie von einer zähen lauen Flut umschwemmt. Zuweilen kreischt ein Schrei. Ein Lachen gellt. Die Schwebe,

In der die Paare, unsichtbar gehalten, schaukeln, schwankt. Doch immer, wie in traumhaft irrem Schwung

Schnurrt der Rhythmus weiter durch den überhitzten Saal . . . Daß nur kein Windzug jetzt die roten Samtportieren hebe,

Hinter denen schon der Morgen wartet, grau, hager, fahl . . . bereit, in kaltem Sprung,

Die Brüstung übergreifend, ins Parkett zu gleiten, daß die heißgetanzten Reihen jählings stocken, Traum und Tanz zerbricht,

Und während noch die Walzerweise sinnlos leiernd weitertönt,

Tag einströmt und die dicke Luft von Schweiß, Parfum und umgegossnem Wein zerreißt, und durch das harte Licht,

Fernher rollend, ehern, stark und klar, das Arbeitslied der großen Stadt durch plötzlich aufgerissene Fenster dröhnt.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Ballhaus von Ernst Stadler

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Ballhaus“ von Ernst Stadler entwirft ein vielschichtiges Bild des pulsierenden Nachtlebens, in dem Tanz, Rausch und flüchtige Begegnungen dominieren. Die beschreibende Dichte und die Verwendung von Metaphern und Bildern erzeugen eine sinnliche Atmosphäre, die gleichzeitig fasziniert und befremdet. Das Gedicht entfaltet sich als eine Momentaufnahme der Vergänglichkeit, in der das pralle Leben des Ballhauses der drohenden Ankunft des Tages und der Realität gegenübersteht.

Der erste Teil des Gedichts widmet sich der detailreichen Darstellung des Ballhauses selbst. Stadler erzeugt durch die Beschreibung der Farben, des Lichts und der Kleidung eine visuelle Opulenz, die den Betrachter in den Bann zieht. Die „Strahlen von Fontänen“ und das „Geflitter hochgeraffter Röcke“ evozieren eine lebhafte und dynamische Szenerie. Gleichzeitig klingen jedoch bereits erste Warnungen an, wie in der Beschreibung der Spiegel, die „fremd und hinterhältig“ sind und das Leben in unendliche Tiefen weiterleiten, ein Hinweis auf die Oberflächlichkeit und Täuschung, die dem Tanzsaal innewohnen. Die „immer gleichen Melodien“ und die „losgelassnen Gliedern“ der Paare unterstreichen die monotone und repetive Natur des Tanzes, in dem die Emotionen sich im Rhythmus wiegen.

Im Mittelpunkt des Gedichts stehen die Tänzerinnen und Tänzer, die im Bann der Musik verschmelzen. Stadler porträtiert sie als getrieben von einer Mischung aus Lust, Hingabe und Erschöpfung. Die „geschminkten Wangen“ und die „halb gelösten Haare“ zeugen von der Intensität des Tanzes, während die „Taumelnden Augen“ und die „unkeuschen Gesten“ auf eine gewisse Verlorenheit und Überschreitung von Grenzen hindeuten. Das Gedicht vermittelt ein Gefühl der Dekadenz, der Sehnsucht und der Sehnsucht nach dem Rausch. Die „Balladen müd gebrannter Herzen“ weisen auf die Leere und das Scheitern hinter der Fassade der Unterhaltung hin.

Der zweite Teil des Gedichts wendet sich dem drohenden Ende des Nachtlebens zu. Das Aufblitzen von „Schrei“ und „Lachen“ unterstreicht die Intensität der Emotionen, während die Metapher der „zähen lauen Flut“ ein Gefühl der Überforderung und des Verlusts vermittelt. Die Erwartung des Morgens, des „grauen, hageren, fahlen“ Tages, wird als Bedrohung wahrgenommen, die das Ende des Traums ankündigt. Der „kalte Sprung“ des Morgens, der das Parkett betritt, symbolisiert das Erwachen aus dem Rausch, den Zusammenbruch des Tanzes und die Rückkehr zur Realität. Das „Arbeitslied der großen Stadt“ aus den geöffneten Fenstern steht im krassen Kontrast zur sinnlich aufgeladenen Atmosphäre des Ballhauses und kündigt das Ende der Nacht an. Das Gedicht wird somit zu einer Allegorie der Vergänglichkeit und der Unausweichlichkeit des Wandels.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.