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Stammbuchblatt

Von

Was ist Liebe? Eine zarte Blume,
Die zerflattert, wenn die Hand sie pflückt,
Eine Göttin, die im Heiligtume
Nur durch Anschaun Sterbliche beglückt,
Eine Biene, die mit leichtem Wallen
Wenig Stunden um die Kelche summt,
Eine Melodie der Nachtigallen,
Die nach kurzem Lenz verstummt.
Was ist Freundschaft, was ist Seelengüte,
Was der Herzen süße Sympathie?
Ach! aus bessern Welten eine Blüte,
In der Erden Lüften reift sie nie.
Was ist Tugend? in dem Lumpenkittel
Predigt sie: ein Nichts ist Ruhm und Gold!
Was ist Wahrheit? in dem Narrenspittel
Reicht man ihr den Gnadensold.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Stammbuchblatt von Ernst Moritz Arndt

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Stammbuchblatt“ von Ernst Moritz Arndt präsentiert eine melancholische Betrachtung über die Vergänglichkeit und Unzulänglichkeit menschlicher Ideale wie Liebe, Freundschaft, Seelengüte, Tugend und Wahrheit. Es ist ein Gedicht, das durch rhetorische Fragen die Leser herausfordert, über die Natur dieser Werte nachzudenken und dabei eine pessimistische Perspektive einnimmt, die von Enttäuschung und dem Gefühl des Scheiterns geprägt ist.

Der erste Teil des Gedichts befasst sich mit der Liebe, indem sie mit vergänglichen Bildern verglichen wird: einer Blume, die beim Pflücken verwelkt; einer Göttin, die nur durch Anschauen Glückseligkeit verspricht; einer Biene, die nur kurz summt; und einer Nachtigallenmelodie, die nach kurzem Gesang verstummt. Diese Metaphern weisen auf die Flüchtigkeit und das kurzlebige Wesen der Liebe hin, was impliziert, dass sie, sobald sie erfasst oder erlebt wird, schnell verblassen kann. Dies deutet auf eine tiefe Skepsis gegenüber der Erfüllbarkeit romantischer Ideale hin und lässt das Gefühl von Verlust und Enttäuschung entstehen.

Der zweite Teil erweitert die Betrachtung auf Freundschaft und Seelengüte, die als „Blüte“ aus „besseren Welten“ beschrieben werden, die jedoch in der irdischen Welt nicht gedeihen kann. Dies deutet darauf hin, dass diese Ideale unerreichbar oder zumindest unvollkommen in der menschlichen Erfahrung sind. Die anschließenden Strophen, die sich mit Tugend und Wahrheit befassen, verstärken diese pessimistische Sichtweise weiter. Tugend wird in einem „Lumpenkittel“ predigend dargestellt, was darauf hindeutet, dass sie von Armut und Geringschätzung geprägt ist, während die Wahrheit im „Narrenspittel“ den „Gnadensold“ erhält, was ihre Verspottung und Missachtung symbolisiert.

Insgesamt ist das Gedicht eine klagende Reflexion über die menschlichen Ideale und ihre Unfähigkeit, in der Welt Bestand zu haben. Durch die Verwendung von rhetorischen Fragen und negativen Vergleichen erzeugt Arndt eine Atmosphäre von Desillusionierung und Pessimismus. Das Gedicht hinterfragt nicht nur die Natur dieser Ideale, sondern auch ihre Realisierbarkeit in der menschlichen Erfahrung und lässt den Leser mit einem Gefühl der Melancholie und des Zweifels zurück. Es ist ein Appell an die Reflexion über die Schwierigkeiten und Grenzen der menschlichen Existenz.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.