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Willkommen und Abschied

Von

Es schlug mein Herz; geschwind zu Pferde!
Es war gethan fast eh‘ gedacht;
Der Abend wiegte schon die Erde
Und an den Bergen hing die Nacht:
Schon stand im Nebelkleid die Eiche
Ein aufgethürmter Riese da,
Wo Finsterniß aus dem Gesträuche
Mit hundert schwarzen Augen sah.

Der Mond von einem Wolkenhügel
Sah kläglich aus dem Duft hervor,
Die Winde schwangen leise Flügel,
Umsaus’ten schauerlich mein Ohr;
Die Nacht schuf tausend Ungeheuer;
Doch frisch und fröhlich war mein Muth:
In meinen Adern welches Feuer!
In meinem Herzen welche Gluth!

Dich sah ich, und die milde Freude
Floß von dem süßen Blick auf mich;
Ganz war mein Herz an deiner Seite
Und jeder Athemzug für dich.
Ein rosenfarbnes Frühlingswetter
Umgab das liebliche Gesicht,
Und Zärtlichkeit für mich – Ihr Götter!
Ich hofft‘ es, ich verdient‘ es nicht!

Doch ach schon mit der Morgensonne
Verengt der Abschied mir das Herz:
In deinen Küssen, welche Wonne!
In deinem Auge, welcher Schmerz!
Ich ging, du standst und sahst zur Erden,
Und sahst mir nach mit nassem Blick:
Und doch, welch Glück geliebt zu werden!
Und lieben, Götter, welch ein Glück!

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Gedicht: Willkommen und Abschied von Johann Wolfgang von Goethe

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Willkommen und Abschied“ von Johann Wolfgang von Goethe beschreibt die leidenschaftliche Begegnung zweier Liebender sowie die damit verbundene Freude und den Schmerz des Abschieds. Es ist in vier Strophen gegliedert, die einen emotionalen Bogen von Aufregung über Glückseligkeit bis hin zur Wehmut des Abschieds spannen. Die Natur dient dabei als Spiegel der Gefühle des lyrischen Ichs.

In den ersten beiden Strophen wird die nächtliche Reise des Sprechers zur Geliebten geschildert. Die Natur erscheint zunächst bedrohlich: Nebel, Dunkelheit und der unheimliche Wald verstärken die Spannung. Dennoch überwiegt die freudige Erwartung, die sich in der dynamischen Sprache („geschwind zu Pferde!“) und den Bildern von Feuer und Glut ausdrückt. Die Furcht vor der Nacht wird von der Kraft der Liebe verdrängt.

Die dritte Strophe schildert die ersehnte Begegnung. Die Geliebte wird mit dem Frühling assoziiert, ihr Blick strahlt Wärme und Zärtlichkeit aus. Das lyrische Ich fühlt sich ganz von ihrer Gegenwart erfüllt, zugleich jedoch unwürdig dieser Liebe. Hier zeigt sich ein zentrales Motiv der Sturm-und-Drang-Zeit: die Intensität der Emotionen und das Aufgehen in der Leidenschaft.

Die letzte Strophe bringt den Schmerz des Abschieds. Der Morgen vertreibt die romantische Nacht und lässt den Trennungsschmerz überwiegen. Der Blick der Geliebten drückt Schmerz aus, doch die Erinnerung an die Liebe überstrahlt alles. Das Gedicht endet mit der Erkenntnis, dass sowohl das Lieben als auch das Geliebtwerden das größte Glück sind – eine klassische Darstellung des romantischen Liebesideals.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.