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Erlkönig

Von

Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?
Es ist der Vater mit seinem Kind;
Er hat den Knaben wohl in dem Arm,
Er faßt ihn sicher, er hält ihn warm.

Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht? –
Siehst, Vater, du den Erlkönig nicht?
Den Erlenkönig mit Kron‘ und Schweif?
Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif. –

„Du liebes Kind, komm, geh mit mir;
Gar schöne Spiele spiel‘ ich mit dir,
Manch bunte Blumen sind an dem Strand,
Meine Mutter hat manch gülden Gewand.“-

Mein Vater, mein Vater, und hörest du nicht,
Was Erlenkönig mir leise verspricht?
Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind;
In dürren Blättern säuselt der Wind. –

„Willst, feiner Knabe, du mit mir gehn?
Meine Töchter sollen dich warten schön:
Meine Töchter führen den nächtlichen Reihn,
Und wiegen und tanzen und singen dich ein.“-

Mein Vater, mein Vater, und siehst du nicht dort
Erlkönigs Töchter am düstern Ort? –
Mein Sohn, mein Sohn, ich seh‘ es genau;
Es scheinen die alten Weiden so grau. –

„Ich liebe dich, mich reizt deine schöne Gestalt;
Und bist du nicht willig, so brauch‘ ich Gewalt!“
Mein Vater, mein Vater, jetzt faßt er mich an!
Erlkönig hat mir ein Leids getan! –

Dem Vater grauset’s, er reitet geschwind,
Er hält in Armen das ächzende Kind,
Erreicht den Hof mit Mühe und Not;
In seinen Armen das Kind war tot.

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Gedicht: Erlkönig von Johann Wolfgang von Goethe

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „„Erlkönig““ von Johann Wolfgang von Goethe ist eine düstere Ballade, die eine unheimliche Verfolgungsjagd in einer stürmischen Nacht schildert. Ein Vater reitet mit seinem kranken Kind durch die Dunkelheit, während der Knabe zunehmend panisch auf die Erscheinung des Erlkönigs reagiert. Dieser verführt das Kind zunächst mit sanften Worten, lockt es mit Spiel, Tanz und prächtigen Gaben, wird jedoch immer bedrohlicher, bis er schließlich Gewalt androht.

Die Spannung entsteht durch den Wechsel zwischen der realistischen Sicht des Vaters und der übernatürlichen Wahrnehmung des Kindes. Während der Vater die bedrohlichen Erscheinungen als natürliche Phänomene – Nebel, Wind und Weiden – erklärt, erlebt der Knabe den Erlkönig als greifbare, immer näherkommende Gefahr. Diese Diskrepanz zwischen kindlicher Angst und elterlicher Rationalität verstärkt die Dramatik der Ballade.

Die Geschichte endet tragisch: Als der Vater das rettende Ziel erreicht, ist sein Kind bereits tot. Ob der Erlkönig eine reale übernatürliche Macht oder eine Halluzination des fiebernden Kindes ist, bleibt offen. Das Gedicht spielt mit Themen wie der Unentrinnbarkeit des Todes, der Ohnmacht des Menschen gegenüber dem Unbekannten und dem Konflikt zwischen Realität und Fantasie. In seinem rhythmischen, schnellen Takt und der steigenden Intensität wird die unaufhaltsame Bedrohung spürbar, was „Erlkönig“ zu einer der eindrucksvollsten Balladen der deutschen Literatur macht.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.