Geht ein sonnenloser Tag
wiederum zur Neige,
und der graue Nebel tropft
durch die kahlen Zweige.
Leise atmend ruht die See,
müde, traumumsponnen…
eine Woge, schaumgekrönt,
ist im Sand zerronnen.
Geht ein sonnenloser Tag
wiederum zur Neige,
und der graue Nebel tropft
durch die kahlen Zweige.
Leise atmend ruht die See,
müde, traumumsponnen…
eine Woge, schaumgekrönt,
ist im Sand zerronnen.

Das Gedicht „Novembertag“ von Clara Müller-Jahnke fängt in knappen, eindrücklichen Bildern die melancholische Stimmung eines Novembertages ein. Die Natur wird als Spiegelbild der menschlichen Seele dargestellt, wobei die vorherrschende Farbe Grau und das langsame, fast meditative Tempo die tiefe Traurigkeit und das Gefühl der Vergänglichkeit hervorheben. Der Titel selbst, in Verbindung mit den beschriebenen Elementen, deutet auf eine Jahreszeit hin, die traditionell mit Abschied, Rückzug und dem Verlust der Lebendigkeit assoziiert wird.
Die ersten beiden Strophen beschreiben die äußere Erscheinung des Tages: ein „sonnenloser Tag“, der „zur Neige“ geht, und „grauer Nebel“, der durch die „kahlen Zweige“ tropft. Diese Bilder erzeugen ein Gefühl von Tristesse und Monotonie. Die Verwendung des Verbs „tropft“ verleiht dem Nebel eine körperliche Präsenz und betont die nasse, kalte Atmosphäre. Die kahlen Zweige symbolisieren den Verlust der Blätter und unterstreichen den Zyklus von Werden und Vergehen, der im Herbst besonders deutlich wird. Diese Beschreibung dient als Grundlage für die emotionale Aufladung, die in den folgenden Zeilen zum Ausdruck kommt.
Die zweite Hälfte des Gedichts richtet den Fokus auf die See und verstärkt die melancholische Stimmung. Die See „ruht“ und atmet „leise“, was eine Atmosphäre von Ruhe und Stille erzeugt, aber auch eine gewisse Müdigkeit andeutet. Der Begriff „traumumsponnen“ verstärkt diesen Eindruck und lässt eine Assoziation von Träumerei, Melancholie und vielleicht auch einer Sehnsucht entstehen. Die letzte Zeile, in der eine „Woge, schaumgekrönt, / ist im Sand zerronnen“, verstärkt das Gefühl der Vergänglichkeit und des unaufhaltsamen Verlusts.
Insgesamt ist das Gedicht ein kurzer, aber intensiver Ausdruck der Melancholie und des Bewusstseins der Vergänglichkeit. Durch die sorgfältige Auswahl von Bildern und die einfache, klare Sprache gelingt es der Autorin, die Gefühlswelt eines trüben Novembertages einzufangen und dem Leser ein tiefes Gefühl von Trauer und Ruhe zu vermitteln. Es ist ein Gedicht, das durch seine Kargheit und Präzision eine große emotionale Wirkung erzielt.
Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.