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Neujahrsgesang

Von

Nun laß uns gehn und treten
Mit Singen und mit Beten
Zum Herrn, der unserm Leben
Bis hierher Kraft gegeben.

Wir gehn dahin und wandern
Von einem Jahr zum andern,
Wir leben und gedeihen
Vom alten bis zum neuen;

Durch soviel Angst und Plagen,
Durch Zittern und durch Zagen,
Durch Krieg und große Schrecken,
Die alle Welt bedecken.

Denn wie von treuen Müttern
In schweren Ungewittern
Die Kindlein hier auf Erden
Mit Fleiß bewahret werden:

Also auch nichts minder
Läßt Gott ihm seine Kinder,
Wenn Not und Trübsal blitzen,
In seinem Schoße sitzen.

Ach Hüter unsers Lebens,
Fürwahr, es ist vergebens
Mit unserm Tun und Machen,
Wo nicht dein Augen wachen.

Gelobt sei deine Treue,
Die alle Morgen neue,
Lob sei den starken Händen,
Die alles Herzleid wenden.

Laß ferner dich erbitten,
O Vater, und bleib mitten
In unserm Kreuz und Leiden
Ein Brunnen unsrer Freuden.

Gib mir und allen denen,
Die sich von Herzen sehnen
Nach dir und deiner Hulde,
Ein Herz, das sich gedulde.

Schleuß zu die Jammerpforten
Und laß an allen Orten
Auf so viel Blutvergießen
Die Freudenströme fließen.

Sprich deinen milden Segen
Zu allen unsern Wegen,
Laß Großen und auch Kleinen
Die Gnadensonne scheinen.

Sei der Verlaßnen Vater,
Der Irrenden Berater,
Der Unversorgten Gabe,
Der Armen Gut und Habe.

Hilf gnädig allen Kranken,
Gib fröhliche Gedanken
Den hochbetrübten Seelen,
Die sich mit Schwermut quälen.

Und endlich, was das Meiste,
Füll uns mit deinem Geiste,
Der uns hier herrlich ziere
Und dort zum Himmel führe.

Das alles wollst du geben,
O meines Lebens Leben,
Mir und der Christen Schare
Zum selgen neuen Jahre.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Neujahrsgesang von Paul Gerhardt

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Neujahrsgesang“ von Paul Gerhardt ist ein geistliches Lied, das das neue Jahr mit Lob, Dank und dem Vertrauen auf Gottes Führung beginnt. In der ersten Strophe wird der Herr als Quelle der Kraft gepriesen, die das Leben bis hierher getragen hat. Das Bild des fortschreitenden Lebens, das von Jahr zu Jahr wandert, unterstreicht die Vergänglichkeit, aber auch die göttliche Konstanz, die das Leben begleitet.

Besonders eindrucksvoll ist die Schilderung der Gefahren und Leiden, die die Welt prägen – Kriege, Schrecken, Angst und Not. Doch diesen Bedrohungen wird das Bild eines fürsorglichen Gottes gegenübergestellt, der seine Kinder bewahrt wie eine Mutter ihr Kind in Stürmen. Diese tröstliche Vorstellung vermittelt Geborgenheit und Vertrauen, selbst in Zeiten von Leid und Unsicherheit.

Das Gedicht betont die Unverzichtbarkeit von Gottes Beistand: Menschliches Handeln allein ist vergeblich, wenn nicht Gottes wachsames Auge darüber wacht. Dies führt zu einem demütigen Lob der göttlichen Treue, die jeden Morgen neu erfahren wird. Die Bitten um Schutz, Segen und Trost für alle Bedürftigen – Kranke, Einsame, Trauernde – verdeutlichen die tief empfundene Sehnsucht nach göttlicher Gnade.

Am Ende steht die höchste Bitte: die Erfüllung mit Gottes Geist, der das Leben auf Erden adelt und schließlich in den Himmel führt. So wird das neue Jahr nicht nur als Fortsetzung des irdischen Weges betrachtet, sondern als spirituelle Reise, die letztlich zur ewigen Seligkeit führt. Der „Neujahrsgesang“ verbindet somit Dank, Bitte und Glaubenszuversicht in einer frommen Betrachtung der Zeit und der göttlichen Führung.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.