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Mein Dörfchen

Von

Wenn im Weltgeräusch, das mich umgiebt,
Noch mein Herz Dich, trautes Dörfchen, liebt,
O so sinds der Kindheit Frühlingskränze
Und die Reize ländlicher Natur,
Die Erinn′rung meiner ersten Lenze,
Was mich knüpft an Deine stille Flur.

Nie konnt′ ich im Glanz der Städte finden,
Was im Dämmerschatten Deiner Linden
Mir die heitre Einsamkeit verlieh.
Ach ich fand in lauten, bunten Freuden
Jenes Glück der frühern Jugend nie –
Fand nur Sorgen, Bangigkeit und Leiden.

Doch in Dir – froh ging mir auf und unter
Stets der Sonnenschein, und mild und munter
Strahlt′ in Dir mir Lunas Silberlicht.
Immer, wenn es durch des Himmels Bläue
Lächelnd wie der Blick der Liebe bricht,
Mahnt es schmerzlich mich an Dich aufs neue.

Röthete wie Purpur sich der Morgen,
Sang die Nachtigall im Hain verborgen,
So begrüsst′ ich freudig die Natur;
Und die Brust, geschwellt von Dank und Liebe,
Schuf zum Tempel mir die weite Flur,
Wo ich opferte der Andacht reine Triebe.

Wehten dann die Morgenwinde leiser,
Ward der Blick der Sonne immer heisser,
Floh ich gern ins freundliche Gemach,
Dachte still beschäftigt dann mit Freuden
Der vergangnen frohen Tage nach,
Und mein einsam Loos war zu beneiden.

Schwebte spät auf rosigem Gefieder
Lind und kühl die Abenddämm′rung nieder,
Netzte sie mit Thau die stille Flur,
O wie eilt′ ich dann, sie zu begrüssen
Und der Sehnsucht leis′ erwachte Spur
Wusste froh die Hoffnung zu versüssen.

So entwich im eng beschränkten Kreise
Mir der Frühling meiner Jugend leise,
Bis das Schicksal finster mich ergriff;
Ach nun schwankt auf wild erzürnten Meeren
Meines Lebens unbeschirmtes Schiff,
Und die Stürme werden es verheeren.

Unschuldsvolle, nie vergels′ne Stunden,
Warum seid Ihr mir so schnell verschwunden?
Ruft kein Flehen jemals Euch zurück?
Ach die leisen Töne meiner Lieder
Klagen um das früh verlor′ne Glück,
Doch umsonst – es kehrt mir niemals wieder!

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Mein Dörfchen von Charlotte von Ahlefeld

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Mein Dörfchen“ von Charlotte von Ahlefeld ist eine melancholische Rückschau auf die Kindheit und Jugendjahre, die im idyllischen Umfeld eines Dorfes verbracht wurden. Es ist eine elegische Betrachtung des Verlusts und der Sehnsucht nach einer vergangenen, unbeschwerten Zeit, die im Kontrast zur Gegenwart der lyrischen Ich-Person steht. Das Gedicht ist in sieben Strophen unterteilt, die jeweils verschiedene Aspekte der Kindheit und Jugend, sowie die anschließende Sehnsucht nach dieser Zeit beleuchten.

Die ersten fünf Strophen beschreiben das ländliche Idyll und die damit verbundenen Freuden. Die Natur, die „Frühlingskränze“ und die „Reize ländlicher Natur“ werden als Quelle des Glücks und der Erinnerung an die Kindheit dargestellt. Die „Einsamkeit“ unter den „Dämmerschatten Deiner Linden“ wird der „lauten, bunten Freuden“ der Städte vorgezogen, wo die lyrische Ich-Person „Sorgen, Bangigkeit und Leiden“ fand. Die Naturbilder, wie das „Silberlicht“ des Mondes und das Morgenrot, werden als Quelle der Freude und des Trostes erlebt. Das lyrische Ich scheint eine tiefe Verbindung zur Natur und dem einfachen Leben des Dorfes zu haben. Dies wird in den Zeilen deutlich, in denen die Natur als Tempel der „Andacht reine Triebe“ beschrieben wird.

Die sechste Strophe setzt die Sehnsucht und die Erinnerung an die frühe Kindheit fort. Die Abenddämmerung und die Natur werden weiterhin als Quelle der Freude und der stillen Momente der Kontemplation beschrieben. Es ist ein Zustand des Friedens und der Geborgenheit, der durch die Erinnerung an die „vergangnen frohen Tage“ noch verstärkt wird. Diese Zeilen weisen auf ein Gefühl des Glücks hin, das in der Gegenwart des lyrischen Ichs nicht mehr existiert. Die „Sehnsucht“ wird durch die Hoffnung versüßt, was darauf hindeutet, dass das lyrische Ich versucht, sich in der Vergangenheit zu trösten.

Die letzte Strophe markiert einen Bruch und eine deutliche Veränderung in der Stimmung. Das „Schicksal“ hat das lyrische Ich ergriffen, und es wird mit einem „unbeschirmtes Schiff“ verglichen, das „auf wild erzürnten Meeren“ schwankt. Die Stürme, die das Schiff verheeren, symbolisieren die Schwierigkeiten und Herausforderungen des Lebens in der Gegenwart. Die „Unschuldsvolle, nie vergels′ne Stunden“ der Vergangenheit werden als „so schnell verschwunden“ beklagt, und die Frage, ob sie jemals zurückkehren werden, bleibt unbeantwortet. Die letzten Zeilen drücken tiefe Trauer und den Verlust des Glücks aus. Die „leisen Töne der Lieder“ beklagen das früh verlorene Glück, das „niemals wieder“ zurückkehrt. Das Gedicht endet mit einem Gefühl der Hoffnungslosigkeit und des Verlustes.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.