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Dora′s Abendlied

Von

Still tritt der Mond in weiter Himmelsferne
Aus des Gewölkes nächtlich grauem Flor,
In goldner Reinheit schimmernd jetzt hervor,
Umgeben von dem hellen Chor der Sterne;
Ihn, den ich mir zum Freunde auserkohr,
Ihn, dem ich klagte, was ich längst verlohr,
Begrüßt mein Blick in stiller Nacht so gerne.

Er leuchtet freundlich mir statt aller Kerzen,
Strahlt leisen Trost in die beklommne Brust,
Und schenkt in Thränen mir der Wehmuth Lust.
Wer nimmt des Kummers Last von meinem Herzen,
Wer hat um ihren Umfang je gewußt!
Ach tief verschlossen in der wunden Brust
Ist all′ mein Weh sind alle meine Schmerzen.

Du, den ich längst nicht mehr zu nennen wage,
Und dessen Bild mich dennoch stets umschwebt!
Du, der im Innern meines Herzens lebt,
Wo ich nur Dich, und Schmerz und Sehnsucht trage,
O wenn Dein Blick hinauf zum Himmel strebt
Und holde Träume Dir der Mondschein webt,
So denk′ auch Du an unsres Glückes Tage.

Sie sind dahin in weite Ferne bannte,
Von Dir getrennt, mich grausam mein Geschick.
Erloschen ist in Thränen nun der Blick,
In dem sonst Muth und Hoffnung lodernd brannte.
Der ersten Liebe nahmenloses Glück
Rief meines Schicksals Stimme ernst zurück,
Eh′ ich des Lebens vollen Werth erkannte.

Seitdem verhüllt mit ihrem schwarzen Schleier
Die Schwermuth mir die weite offne Welt;
Des Himmels hehres, sternbesäetes Zelt,
Des Mondes Glanz, der oft in stiller Feier
Der Nächte ödes Dunkel mir erhellt,
Und ahnungsvoll die bange Brust mir schwellt,
Eröffnet nur mein Herz der Wehmuth freier.

Ist mir auf ewig jenes Glück verschwunden?
Ist schmerzliches Entbehren nur mein Loos?
Und wird allein des Grabes finstrer Schooß
Mich schützen vor des Leidens bangen Stunden,
So reiße schnell mich von dem Leben los,
Willkommner Tod, denn in der Erde Schooß
Verbluten sanft des Herzens tiefe Wunden.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Dora′s Abendlied von Charlotte von Ahlefeld

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Dora’s Abendlied“ von Charlotte von Ahlefeld ist ein melancholischer Ausdruck von Verlust, Sehnsucht und tiefer Trauer. Es präsentiert die innere Welt einer Frau namens Dora, die von einer unerwiderten Liebe und dem daraus resultierenden Schmerz gequält wird. Der Mond, der in der ersten Strophe als Freund und Vertrauter eingeführt wird, dient als Zeuge ihrer Klagen und als Spiegelbild ihrer Einsamkeit. Die sanfte, aber eindringliche Sprache erzeugt eine Atmosphäre der Einsamkeit und des stillen Leids, die durch die fortwährende Anrufung des Mondes und die Beschreibung der Nacht verstärkt wird.

Das Gedicht offenbart Doras tiefe Trauer über den Verlust einer vergangenen Liebe. In der dritten Strophe wird die geliebte Person, die Dora nicht mehr zu nennen wagt, indirekt angesprochen. Die Erinnerung an diese Liebe ist jedoch allgegenwärtig und nagt an ihrem Herzen. Das lyrische Ich reflektiert über die Vergänglichkeit des Glücks und die grausamen Folgen der Trennung. Die Zeilen drücken ein Gefühl des Verrats und der Hoffnungslosigkeit aus, da die gemeinsame Zeit, die einst durch Mut und Hoffnung geprägt war, nun nur noch in Erinnerungen existiert. Die Metapher des erloschenen Blicks unterstreicht den Verlust der Lebensfreude.

Die letzte Strophe des Gedichts ist ein erschütternder Höhepunkt der Verzweiflung. Dora fragt sich, ob das schmerzliche Entbehren ihr einziges Schicksal ist und sehnt sich nach dem Tod als Erlösung. Der Wunsch nach dem Grab als Zuflucht vor dem Leiden ist ein starkes Zeichen der Erschöpfung und des Verlustes aller Hoffnung. Die Verwendung des Begriffs „Willkommner Tod“ zeigt die Tiefe ihrer Verzweiflung und den Wunsch, den Schmerz zu beenden. Die letzten Verse symbolisieren die Hoffnung, dass die tiefen Wunden ihres Herzens im Schoß der Erde endlich verbluten und sie so Frieden finden kann.

Die Natur, insbesondere der Mond und die Nacht, spielen eine zentrale Rolle in der Gestaltung der melancholischen Stimmung. Der Mond, der in der ersten Strophe als Freund begrüßt wird, wird zu Doras einzigem Verbündeten in ihrer Einsamkeit. Er leuchtet freundlich, spendet Trost und erhellt die Dunkelheit, aber er kann das Leid nicht lindern. Die Nacht und ihre Stille verstärken die Isolation und die Wehmut. Die Metaphern der „weiten Himmelsferne“, des „schwarzen Schleiers“ der Schwermut und der „finstrer Schooß“ des Grabes tragen zur düsteren Atmosphäre bei und unterstreichen das Gefühl des Verlustes und der Verzweiflung.

Insgesamt ist „Dora’s Abendlied“ ein ergreifendes Gedicht, das die Themen Liebe, Verlust, Sehnsucht und Verzweiflung in den Mittelpunkt stellt. Die klare Sprache, die melancholische Atmosphäre und die tiefgründigen Emotionen machen es zu einem eindrucksvollen Ausdruck menschlichen Leids und der Suche nach Trost in der Dunkelheit. Es ist ein bewegendes Zeugnis der Macht der Liebe und des Schmerzes, den ihr Verlust verursachen kann.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.